Dies ist der Auftakt einer Post-Serie, in der ich 10 naive Fragen zum Menschen und zur Menschheit stelle. Dafür ist es höchste Zeit. Denn menschengemachte Probleme bedrohen unsere Zukunft. Und nur wir Menschen können sie lösen. Ein neues Menschenbild ist dringlich. Hier kommt die erste Frage:
Was brauchen wir, um uns zu retten?
Wieso diese Frage, sind wir denn bedroht? Nun, wenn uns kein Asteroid auf die Köpfe fällt, nein, nicht sofort. Aber wir sind dabei, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Und zwar immer schneller. Das hat zwar eine längere Geschichte. Und es gäbe auch sehr ausführliche Antworten dazu. Hier will ich jedoch nur in aller Kürze einen wesentlichen Punkt in unserer Selbst- und Weltdeutung erklären, an dem wir zu scheitern drohen.
Zunächst also zur Situation. Vor Kurzem stieß ich in einem Video von Prof. Volker Quaschning auf eine Grafik, die unsere Lage auf den Punkt bringt. Der Corona-Shutdown dient als Anschauungsmaterial. Wir haben ihn alle präsent. Die Grafik oben zeigt, wie sich die CO2-Kurve bisher entwickelt hat. Die blaue Linie hat ein paar kleinere Einkerbungen nach unten: 1974, 1982, 2009. In diesen Wirtschaftskrisen sanken die CO2-Emissionen um circa 1-2 Prozent. Die rote Linie markiert den aktuellen Corona-Einbruch: Mindestens 5-10 Prozent in diesem Jahr. Die grüne Linie zeigt den Pfad, auf den wir kommen müssten. Bis 2040 sollten wir jährlich mindestens 5-7 Prozent weniger CO2 emittieren. Jahr für Jahr. 20 Jahre lang. Dies bedeutet einen gewaltigen Umbau unserer Wirtschafts- und Lebensweise. Ein “Weiter so” ist ausgeschlossen. Wobei es nicht in die Steinzeit zurück geht: Schweden und die Schweiz beispielsweise verbrauchen derzeit nur die Hälfte pro Kopf, wie wir.
Ist irgendwo zu erkennen, dass wir diesen Umbau schaffen? Oder auch nur, dass die verantwortlichen Politiker*innen das überhaupt wollen? Und, falls dies auf die aktuelle Regierung nicht zutrifft: Ist irgendwo eine Mehrheit für eine solche Politik in Sicht? Man bedenke: Die Grünen liegen bei 20 Prozent (nicht bei 50). Und selbst die Ziele der Grünen genügen den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Klimakrise nicht. Was uns droht, falls wir es nicht schaffen? Werfen Sie einen Blick auf die unten abgebildete Erd-Landkarte fürs Jahr 2100. Die Wissenschaftlerinnen, die die Grundlagen dafür erarbeitet haben, gehen von einem Lebensraum für nur noch 1 Milliarde Menschen aus.
Ich will nun gar nicht schildern, was das an Leid für die Menschen bedeuten würde. Sie können es sich selbst ausmalen. Eine kaum zu überbietende Schauergeschichte. Eine Geschichte, die wir gerade jetzt schreiben: CO2 hält sich Jahrzehnte in der Atmosphäre.
Was wir nun brauchen, ist eine Korrektur unseres Selbst- und Weltbildes. Denn es sind nie die Fakten, die unser Handeln bestimmen. Es ist immer das, was wir aus den Fakten machen.
Selbst- und Weltbild: Korrekturbedürftig
Diese Korrektur unseres Selbst- und Weltbildes bedeutet zunächst: Wir müssen erkennen, dass wir tatsächlich dringend „in die Puschen kommen“ müssen. Vor allem dann, wenn wir uns noch irgendeinen Gestaltungsspielraum bewahren wollen.
Aber: Wieso Sie und ich? Was können wir beide schon erreichen? So argumentieren wir Menschen gerne und wir haben selbstverständlich vollkommen Recht. Wenn wir zwei unseren Lebensstil ändern und ein paar Petitionen unterschreiben würden und sonst bliebe alles, wie gehabt: Das wäre quasi nichts.
Denken wir also weiter. Ganz Deutschland müsste sich ändern! Aber was brächte selbst das, solange Trump in den USA alles blockiert, China weiterwachsen will und Bolsonaro den Regenwald abholzt? Wiederum würde sich viel zu wenig ändern. Also, wagen wir es, unsere Perspektive noch einmal auszuweiten: Die Menschheit weltweit müsste sich ändern! Spätestens jetzt neigen wir dazu, einen Strich unter die Rechnung zu machen. Ergebnis: Es bringt alles nichts! Oder anders, ein wenig frech und böse gesagt: “Uff, geschafft, wir müssen selbst nichts tun.” Sicher hätten Sie es anders formuliert. Aber hatten Sie durch meine paar Sätze bisher nun allen Ernstes vor, etwas grundsätzlich zu ändern? Nein? Das würde ich vollkommen verstehen! Denn dann würden Sie ganz anders ticken, als Menschen es üblicherweise tun.
Zwischenfazit: Der einzelne alleine kann nichts verändern, Deutschland alleine kann nichts verändern, die ganze Erdbevölkerung müsste sich ändern. Das ist unrealistisch. Also tun wir nichts. Das wäre schon ein sehr merkwürdiger Schluss, oder? Vielleicht haben wir doch falsch kalkuliert?
Wieso ausgerechnet Sie und ich?
Kommen wir zurück auf die Ausgangsfrage. Was brauchen wir, um uns zu retten? Offenbar müssen wir (1) den Ernst der Lage erkennen, (2) unsere Perspektive tatsächlich auf die ganze Menschheit erweitern. Denn dies ist offensichtlich die Dimension, um die es hier geht. Und dann (3) müssen wir trotz dieser globalen Dimension selbst beginnen. Das eine schließt das andere nicht aus. Das eigene Handeln ergibt Sinn, selbst wenn es nur ein Teil des Ganzen ist. Da müssen wir hinkommen: Wir sind eine Menschheit. Wir haben ein gemeinsames Problem. Und wir müssen es gemeinsam lösen.
Selbst einzelne können viel verändern. Wir wissen, was Greta, eine damals 15-jährige vollkommen unbekannte schwedische Schülerin mit einem Pappschild und viel Entschlossenheit weltweit ausgelöst hat. Sie und ich sind nicht Greta? Richtig. Aber wir wissen auch, was Rezo mit einem einzigen Video bewirkt hat. Sie und ich können keine Videos machen? Richtig – was mich anbelangt, stimmt das zumindest. Ehrlich gesagt: Ich kenne Sie gar nicht und weiß daher auch keine Empfehlung an Sie. Vielleicht fahren Sie kein Auto, fliegen nicht und gehen jeden Freitag demonstrieren. Aber vielleicht auch nicht. Fragen Sie sich daher selbst, was Sie persönlich beitragen können. Das hängt von Ihren persönlichen Stärken und Schwächen, von Ihrem Umfeld usw. ab (mehr dazu in diesem Post).
Grundsätzlich gilt die Regel: Politischer Einfluss bringt häufig mehr, als persönliche Verhaltensänderung. Und beim persönlichen Verhalten sind die Effekte auch sehr unterschiedlich. Den größten Einfluss haben die „vier F“: Fleischkonsum, fliegen, Auto fahren und „Fummel“ (Kleidung in Massen kaufen).
Wenn Sie sich nun auf den Weg machen, dann handeln Sie aus einem veränderten Selbst- und Weltbild heraus. Sie haben die Erkenntnis an sich herangelassen, dass die Lage wirklich, wirklich ernst ist und es tatsächlich Ihren persönlichen Beitrag braucht. Trotzdem es ein weltweites Problem ist. Dies sind keine Widersprüche. Fühlen Sie sich gerne verantwortlich – das brauchen wir jetzt. Die Menschheit benötigt ein neues Menschenbild. Eines, in dem wir unsere prekäre Lage erkennen und handeln. Eines, das das klare Bewusstsein beinhaltet: Der Mensch ist Teil der Menschheit.
Sehen Sie das Video der neuen Kampagne GermanZero: So kann es gehen!
Hier die weiteren Fragen dieser Blogserie:
Teil 2 Wieso sollten wir die Menschheit lieben?
3 Gibt es echte Liebe zwischen Menschen?
4 Warum ändert Vernunft nichts und ist doch das Ziel?
5 Sind wir zu blöd, um zu überleben?
6 Wo ist unser Menschenbild verkürzt?
7 Warum hilft die akademische Psychologie kaum weiter?
8 Ist der Mensch im Grunde gut?
9 Kriegen wir noch die Kurve?
10 Warum sich noch engagieren?