Martin Gaedts Top Ten gegen den Fachkräftemangel

Wer das Buch „Mythos Fachkräftemangel“ (amazon) gelesen hat, weiß: Der Autor Martin Gaedt verfügt über ein schier unerschöpfliches Reservoire an Ideen gegen den Fachkräftemangel. Außerdem erkennt man den Verfasser als Menschen, dem es leicht fällt, Dinge subjektiv zu bewerten. Meine Idee für ein Interview mit Martin Gaedt (im Bild links) war daher die Bitte: Nennen Sie mir bitte Ihre subjektiven Top-Ten-Ideen gegen den Fachkräftemangel. Was hat Sie persönlich am meisten beeindruckt? Das Ergebnis des spannenden Gesprächs habe ich im Folgenden zusammen gefasst.

1.) Vom Schülerjobber zum Azubi

Dieses Beispiel ist beeindruckend simpel und pragmatisch. Ein Unternehmer in Heidenheim vergibt seit einigen Jahren spezielle Schülerjobs. Die Schüler kommen ein Jahr immer am Samstag ins Unternehmen, verrichten dort eine normale Schülerjob-Tätigkeit und werden dafür entsprechend entlohnt. Nach einem Jahr beginnen einige ihre Ausbildung. Diese neuen Azubis passen bestens ins Unternehmen – man kennt sich ja. Unnötig: Stellenanzeigen und Auswahl-ACs.

2.) Nach Vertragsschluss in Kontakt bleiben

Die Nord-LB hat etwas eingeführt, was bei KMUs genauso geht. Wie viele große Unternehmen macht sie die Verträge mit den künftigen Azubis über ein Jahr vorher fest. Danach wartet sie aber nicht bloß ab, ob wohl alle zum Ausbildungsstart erscheinen werden. Sie lädt zwischen Vertragsabschluss und Ausbildungsbeginn vier Mal zu einer Veranstaltung ein, teilweise mit Familien. Und wenn es am 01.09. los geht, kommen alle 50 und beginnen ihre Ausbildung.

3.) Arbeitsplatz umziehen

Die Forschungseinrichtung Vierol AG wusste, dass es ihr sehr schwer fallen wird, neue Mitarbeiter an ihren Firmensitz an den Rand der Stadt Oldenburg zu locken. Also haben sie am Bahnhof ein neues Gebäude erstellt. So können auch Wissenschaftler, die beispielsweise in Bremen wohnen, per ICE in einer halben Stunde am Arbeitsplatz sein. Unterstützend dazu gibt es eine Bahncard 100 für die neuen Kollegen.

4.) Gastronomie mit festen Arbeitszeiten

In der Gastronomie gehe das alles nicht, wird geklagt. Ein Restaurant im Emsland hat ihre Personalfluktuation aber auf null reduziert. Der „Spezialtrick“: Bei ihr werden die vertraglichen Arbeitszeiten eingehalten. Um das in den für die Branche typischen Spitzenzeiten hin zu bekommen, braucht es etwas Organisationsgeschick und den Willen dazu. Aber es geht, wie das Beispiel beweist.

5.) Ausbildungsfähigkeit selbst herstellen

Die Deutsche Bahn nimmt 400 junge Leute ohne Schulabschluss unter die Fittiche von Betreuern und setzt sie als Arbeiter ein. An den Aufgaben wachsen sie. Zumal sie beim Verschlafen schon mal der Anruf ihres Arbeitgebers weckt. Ein Bauunternehmer aus dem Emsland hat nun gezeigt, dass es auch im kleineren Maßstab geht. Er begann das Programm mit 20 Jugendlichen ohne Schulabschluss, bildete sie selbst fachpraktisch aus und beschäftigt heute noch 18 von ihnen.

6.) Mit Mentoren den persönlichen Nerv treffen

Es gibt mittlerweile viele Mentoring-Programme wie Rock your Life, Schülerpaten, Joblinge, Komplizen, Big Brothers Big Sisters und das Chancenwerk von Murat Vural. Sie alle setzen letztlich darauf, dass Mentoren den persönlichen Nerv ihrer Mentees treffen. Jeder hat ein Talent und Motivation – man muss ihn nur richtig ansprechen. Sehr gut gelingt diese individuelle Arbeit Mentoren, die  Schüler über längere Zeit regelmäßig treffen und in Richtung Berufswahl und Ausbildung begleiten.

7.) Ungewöhnliche Ideen im Unternehmen

Packsynergie, ein Unternehmen der Verpackungsindustrie, begann einmal mit 14 Mitarbeitern und hat heute 1200. Es gibt ein Konto, das der Finanzierung neuer Projektideen dient. Zur Zeit der Gründung bis heute hat jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter eine EC-Karte für dieses Konto und darf nach Belieben Geld abheben. Er oder sie muss nur hinterher über die Mittelverwendung berichten. Außerdem gibt es Vertrauensverträge und viele weitere Besonderheiten in der Unternehmenskultur. Ergebnisse: Zufriedene Mitarbeiter. Fluktuation null.

8.) Active Sourcing

Die Noventum Consulting GmbH arbeitet mit der umgedrehten Bewerbung. Sie sucht selbst aktiv nach geeigneten neuen Mitarbeitern und schickt ihnen die Bewerbung des Unternehmens. Darin erklärt sie die Vorteile, bei Noventum zu arbeiten, präsentiert sich mit Bewerbungsfotos des Unternehmens. Durch diese Idee gibt es immer genug geeignete Kandidaten. Außerdem gewinnt Noventum einen ausgezeichneten Ruf als Arbeitgeber, der weitere Bewerber anzieht.

9.) Teilnahme an Wettbewerben

Es gibt „Jugend forscht“ in verschiedenen Fachrichtungen. Weniger bekannt sind weitere circa 1000 Wettbewerbe, an denen Unternehmen mit ihren Mitarbeitern teilnehmen können. Deren Azubis bekommen einen Extra-Schub Motivation. Ihre Begeisterung am eigenen Werk strahlt zurück ins Unternehmen und sie bleiben gerne dort.

10.) Mitarbeiter befragen

Die Pflege ist ein schwieriges Feld, denn die Fachkräfte schwinden und der Bedarf steigt. Zwei recht unterschiedliche Fälle haben eines gemeinsam: Ausgangspunkt war die Befragung der Betroffenen. Im einen Fall gaben die Pflegekräfte an, ihr Hauptproblem sei die Zeitknappheit bei der Arbeit. Die Geschäftsführung erwiderte, mehr Zeit bedeute weniger Patienten und daher ein kleineres Budget für die Gehälter. Die Mitarbeiter waren mit einem freiwilligen Gehaltsverzicht einverstanden. Nun haben sie die Arbeitsstellen, die sie sich wünschen. In einem anderen Fall machte den Pflegern die Kritik an ihrer Arbeit zu schaffen. „Wir wollen unsere eigenen Ansprüche definieren und nach außen kommunizieren.“ Gegenfrage der Geschäftsleitung: „Wollt ihr das wirklich? In diesem Fall müsst ihr diese höheren Ansprüche auch einhalten.“ Auch hier waren die Mitarbeiter einverstanden. Sie sind seither deutlich zufriedener, weil stolz auf ihre Leistung und bleiben ihrem Arbeitgeber treu.

Wow, so viele prima Ideen gegen den Fachkräftemangel! Herzlichen Dank Martin Gaedt für das Interview!

Link zu younect

Zum letzten Punkt möchte ich noch in eigener Sache auf mein Buch Change! verweisen, das genau diesen Ansatz der Mitarbeiter-Befragung verfolgt. Es setzt am Ärger der Mitarbeiter an und nutzt ihn, um das Unternehmen besser aufzustellen. Wie ich dort gezeigt habe, führt dies nachweislich zu geringerer Mitarbeiterfluktuation und verbessert dazu Produktivität, Rentabilität und Kundenzufriedenheit.

Der Autor: Dipl.-Psych. Christoph Burger ist autorisierter Fachberater des ESF-Programms unternehmensWert: Mensch . Dies bedeutet, dass Sie mit Ihrem Unternehmen für Beratungen gegen Ihren Fachkräftemangel gewöhnlich nur 20 % der Kosten selbst tragen.

Lesetipps:

Teil 1 dieser Serie: Eine der besten Ideen gegen den Fachkräftemangel: Cleverheads von younect.

Teil 2: Über Jobvermittler, die nicht zum Jobvermitteln kommen

Teil 3: Active Sourcing: Jedes Unternehmen könnte es machen

Teil 4: Teufelskreis Employer Branding

Svenja Hofert zum Buch von Marin Gaedt

Wie ein neues Arbeitszeitmodell 25 % mehr Bewerber bringt

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