Wut und persönliche Entwicklung

Was für ein Wut-Typ sind Sie: Bringt Sie Ihr Alltag mit Falschparkern und Dummschwätzern häufig aus der Fassung? Oder empören Sie sich eher selten? Wie wir mit Ärger und Wut umgehen, sagt viel über uns selbst aus. Immer ist unsere Unzufriedenheit hervorragend dazu geeignet, die persönliche Entwicklung voran zu bringen – wenn wir uns trauen.

Auch negative Emotionen sind nützlich

Ein paar hilfreiche Eingrenzungen vorab: Hinter Unzufriedenheit, Ärger und Wut steckt die selbe Konstellation: Die Welt ist so, wie wir sie nicht haben wollen. Aber wir können sie ändern.

Empörung lässt sich von der Wut abgrenzen. Wir empören uns nicht in eigener Sache, sondern stellvertretend für andere, denen Unrecht widerfahren ist.

Emotionen geben uns Hinweise, was jetzt wichtig ist. Um was wir uns kümmern sollten. Idealerweise führt eine Wut nicht dazu, dass die nächste Wut folgt. Sondern, dass wir die Wirklichkeit verändern und der Anlass der Aufregung verschwindet.

Wichtig ist auch, Aggression und Wut auseinander zu halten. Wut ist eine Emotion, ein Hinweisgeber. Aggression ist eine Handlung, die darauf folgen kann. In aller Regel hilft Aggression nicht weiter.

Oberfläche und Tiefe der Wut

Was können Sie tun, um adäquat auf Ihre Wut zu reagieren? Drei Optionen verändern die Wirklichkeit direkt:

  • Sie zeigen anderen deutlicher Ihre Grenzen auf
  • Sie verfolgen Ihre Ziele motivierter
  • Sie werden kreativ

Ein ganz anderer Weg – der allerdings immer möglich ist: Sie nutzen Ihre Rage, um sich selbst besser kennen zu lernen. Wut bedeutet immer, dass Sie die Wirklichkeit anders eingeschätzt haben, als sie ist. Daher können Sie immer etwas über die eigene Realitätswahrnehmung, über Ihre geheimen Vorurteile lernen. Dies ist die Tiefendimension der Wut.

Welcher Ärger-Typ sind Sie?

Billi und Bernd sind sehr unterschiedlich:

Billi, regt sich über Falschparker und Autobahnbummler auf. Politiker:innen und Anzugträger stören ihn fast immer. Dazu kommen: Der Nachbar vorne, der den Hof nicht richtig kehrt. Die Nachbarin hinten, die immer so „blöd aus dem Fenster glotzt“. Ganz furchtbar findet Billi seinen Kollegen Axel, der nicht richtig arbeitet. Und natürlich den Chef. Wenn sein Fußballclub verliert, kann Billi das schwer ertragen. Sein Sohn ist ihm zu faul und seine Frau …

Bernd ist ruhig und gelassen. In seinen jüngeren Jahren sieht er sich zwar als Rumpelstilzchen, aber das ist lange her. Fragt man ihn, warum ihn heute kaum etwas auf die Palme bringt, erzählt er von der Meditation, die er praktiziert. Konfrontiert man ihn mit konkreten Menschen heute oder spricht ihn auf bestimmte Situationen an, erklärt Bernd relativ kompliziert die verschiedenen Motivationen der Beteiligten und dass er im Grunde irgendwo alle verstehe. Auch heute noch kann sich Bernd aufregen – aber das passiert selten.

Welchem Menschen würden Sie eine höhere menschliche Reife attestieren? Billi und Bernd liegen hier weit auseinander. Wenn Billi die Gelassenheit Bernds erreichen will – was grundsätzlich möglich ist-, wartet eine langjährige Entwicklungszeit auf ihn. Einen Crash-Kurs gibt es dafür nicht.

Wie häufig wir uns aufregen und worüber, sagt viel über uns aus. Unser Wut-Status ist eng mit unserer persönlichen Entwicklung verbunden.

Wut und Ich-Entwicklung

Die auf Jane Loevinger, Robert Kegan und andere zurückgehende Forschung zur Erwachsenenentwicklung beschreibt Stufen menschlicher Reife. Sie lassen sich weltweit messen. Beobachtet wurde eine „stufenspezifische Reizbarkeit“, die viel über uns aussagt (dieser Post gibt eine erste Idee von dem Modell Loevingers).

Zusätzlich wartet hinter jedem einzelnen Wutanfall eine Erkenntnis. Jede Rage könnte ein Ausrufezeichen setzen: “Pass auf, genau hier könntest du dich weiterentwickeln!” Das geht immer. Auch mit Bernd könnte man genau an diesen Punkten arbeiten, an denen er – trotz seiner allgemeinen Gelassenheit – aus der Fassung gerät. Diese konkreten Anlässe dienen dazu, die Persönlichkeit Bernds allgemein zu erforschen und Impulse für die weitere Entfaltung seines Potenzials zu geben.

Wut und Wirklichkeit

Was führt dazu, dass Menschen sich weltweit auf ähnliche Weise persönlich weiterentwickeln? Meine Idee dazu ist: Unsere Auseinandersetzung mit der Realität treibt uns an. Je primitiver unser Bild von uns selbst und der Welt ist, desto weniger passt es zur Wirklichkeit.

Wer sich auf ein immer realeres Abbild seiner Selbst und der Wirklichkeit einlässt, erstellt ein immer komplexeres Schema im Kopf. Wir filtern die Vielfalt der Eindrücke immer. Aber unsere Filter können mehr oder weniger leistungsfähig sein.

Das verhält sich ähnlich, wie die Entwicklung einer immer hochwertigeren Kamera. Wo eine schlechte Technik nur grob Gepixeltes liefert, werden bei einem besseren Modell Zweige und Blätter sichtbar. Während jedoch die Kamera werksseitig auf einem bestimmten Niveau hergestellt wurde, können wir selbst uns ständig verändern. Was für ein Abenteuer!

Wir stoßen uns mit unseren unzureichenden Selbst- und Weltbildern immer wieder den Kopf an der Realität selbst. Dies führt zu Emotionen. Unsere Wut können wir nutzen: Zum einen, um Welt zu verändern. Zum anderen gilt: Je freundlicher wir unsere Emotionen begrüßen, desto kraftvoller können wir handeln.

Mehr dazu – insbesondere auch zu Wut in Organisationen – lesen Sie in diesem kleinen, kompakten Buch hier.

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