Taugt Facebook zum Karriere-Netzwerken?

Studierende schicken ihre Dozenten zuweilen mit interessanten Fragen nach Hause. So meinte einer meiner Teilnehmer beim Kwer-Karriere-Seminar an der Universität Mannheim: “Wieso reden wir beim Networking über Facebook, das ist doch fürs Private gemacht?”

Wahrlich schlau

Natürlich weiß ich, warum ich auch über Facebook reden will. Aber die Frage beschäftigte mich weiter und entpuppte sich so als fruchtbar. Intelligenz (die des Studenten) im positiven Sinn lässt sich nicht mit dem IQ-Test messen, sondern zeigt sich in einem offenen Geist, der einen veranlasst, den Mund aufzumachen und Fragen zu stellen. Dabei zeigen also die scheinbar trivialen Antworten durchaus nicht auf die Dummheit des Fragers sondern offenbaren umgekehrt dessen Klugheit. Also:

Warum reden wir über Facebook als Plattform des professionellen Netzwerkens?

Geklärt werden muss zunächst: Warum überhaupt netzwerken? Mit anderen in Kontakt treten und bleiben, ist gut, wenn man beispielsweise einen ordentlichen Arzt für seine Knieverletzung sucht, einen kompetenten Rechtsanwalt für seine Mietstreitigkeit oder eben einen Hinweis für den nächsten interessanten Job.

Wie viele Menschen kennen Sie?

In Bewerberseminaren bearbeite ich das Thema Netzwerken, indem ich die Teilnehmer aufschreiben lasse, wie viele Menschen sie – etwas – näher kennen. Regelmäßig passiert dann das Missverständnis, dass die Teilnehmer nur aufschreiben, wer ihnen ihrer Meinung nach vermutlich beruflich weiterhelfen kann. Wieso ist das zu eng gedacht? Weil man eben vorher nicht weiß, wer einem einmal beruflich weiterhelfen wird.

Nichtwissen überall

Wie ich in meinem neuen Buch anführe, kennt jeder Mensch im Durchschnitt über 500 andere. Nehmen wir mal die bescheidene Zahl 200. Jeder Mensch, den Sie kennen, pflegt also den Kontakt zu weiteren 199, die Sie nicht kennen. Und diese sind jünger, älter, besser oder schlechter gestellt, Chef oder arbeitslos, einflussreich oder -arm, Arzt, Rechtsanwalt oder KFZ-Bastler. Woher wollen Sie wissen, dass dieser Mensch, den Sie persönlich kennen, niemanden weiß, der Ihnen in Ihrem Thema weiterhelfen kann? Das können Sie nicht wissen – es sei denn, Sie könnten hellsehen. Denn Sie kennen ja nur den einen, nicht die 199.

Das Knie-Problem ist ein Job-Problem

So gesehen ist die Suche nach einem geeigneten Arzt und nach einem neuen Arbeitgeber per Beziehungsarbeit also exakt dasselbe Problem. Bekannte sind Bekannte und könnten jemand kennen, fertig. Ich wette beispielsweise darauf, dass Sie mindestens einen Arzt kennen. Oder etwa nicht? Und Sie kennen mindestens einen Chef. Also kennen andere auch Ärzte und Chefs.

Reisen sie erster Klasse

Manche Networking-Tippgeber geben Empfehlungen wie diese: “Reisen Sie stets erster Klasse. Und zwar im Abteil. So kommen Sie mit einflussreichen Menschen ins Gespräch.” Gut, kann man machen. Darin steckt allerdings schon wieder der Grundgedanke, es müssten ganz spezielle Leute sein, mit denen man in Kontakt treten sollte. Ich empfehle: Gehen Sie als erstes auf Menschen zu, die Sie mögen. Und dann, wenn es Ihnen liegt, wählen Sie gezielt bestimmte Schnittstellen zu Menschen, die Sie evt. weiter bringen können.

Single? Schlussjetzt!

So leuchtete es mir nie ein, wieso ein Partnerinnen suchender Freund sich nicht aus seinem Schneckenhaus wagte. Natürlich hätte der Bildungsinteressierte auf VHS-Seminaren eher eine passende Frau gefunden, als in seinem Treppenhaus. Aber nun gut, inzwischen hat eine Internet-Single-Börse ihren Dienst verrichtet. So geht es natürlich auch.

Zurück zu Facebook

Wobei wir wieder zurück bei Facebook wären. Warum dieses Netzwerk? Beispielsweise weil hier einfach jede Menge Leute surfen: In Deutschland waren es vor einem Jahr 23 Millionen. Fast das zehnfache von Xing (2,4 Mio). Außerdem sind es vermutlich andere Menschen, die Xing nutzen, als jene, die sich auf Facebook mit “Freunden” austauschen. Und es gibt auf Facebook Firmenauftritte und Fachgruppen. Xing oder LinkedIn (0,76 Mio in Deutschland, alle Zahlen nach compass-heading.de) als ausgewiesene Business-Netzwerke sind natürlich erste Wahl fürs berufliche Kontakteschmieden.

Gevatter Zufall

Aber manchmal hilft eben auch die Oma einer alten Studienfreundin weiter, die zwar nicht auf Facebook surft. Aber die Freundin erinnert sich an “dich”, wenn “du” ein neues Foto hoch lädtst. Ihr chattet und der Freundin kommt ihre Oma in den Sinn. Die spricht ihre Tee-Cousine an, diese ihren Mann und du kriegst das passende Praktikum, was zum Job führt. So kanns eben laufen – und niemand kann sowas vorher sehen. Was man tun kann? Fleißig netzwerken auf so vielen Ebenen, wie mans eben hin kriegt. Das ganze nenne ich eine “Lotterie des Vertrauens”. Es ist zwar Zufall, aber wer viele Lose zieht, kann darauf vertrauen, dass irgendwann auch mal was Schönes zurück kommt!

2 Kommentare

  • Ähnliche Erfahrungen mache ich immer wieder bei unseren Seminaren an mitteldeutschen Hochschulen. Die Studierenden erkennen nicht, dass Beziehungen aus dem privaten/persönlichen Umfeld Kontakte für ganz unterschiedliche Themen sein können. Auch und gerade für das Thema Beruf und Karriere.

    Erst im Januar nahmen Studierende an unserem Seminar für “Allgemeine Schlüsselqualifikationen” teil und mussten bei der Präsentation (Thema war “Networking”) zugeben, dass sie bei der Themenvergabe nicht begeistert gewesen waren. Doch beim Einarbeiten in das Thema stellten sie fest, dass sie ja bereits ganz aktiv netzwerken. Eine Studentin war zum Beispiel als freiberufliche Hebamme aktiv und berichtete von ihren eigenen Erfahrungen der Mundpropaganda. Gerade im Bereich der Hebammen wohl ein nicht zu unterschätzender “Kundenbringer”. Ohne zu wissen, das sie jeweils netzwerkt, tat sie es dennoch – und das erfolgreich.

    Fazit: Nicht immer muss netzwerken drauf stehen, wo netzwerken drin ist.

    Antworten
    • Hallo Herr Wiesner,

      danke für die interessante Ergänzung und fürs Teilen Ihrer Erfahrungen!

      Schöne Grüße, CB

      Antworten

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