Banker und Politiker: Psyche und Fakten

Crash: Ein Autofahrer hat nicht aufgepasst und einen Unfall verursacht. Es gibt Blechschäden und Verletzte. Wenn der Fahrer zufällig prominent ist und derzeit seine Ehe kriselt, wird der Unfall die medialen Spekulationen über sein Privatleben nähren. Die Verletzten treten in den Hintergrund. In der Politik ist es ähnlich. Die persönlichen Eigenarten der Politiker:innen drängeln sich in unseren Köpfen nach vorne. Die von ihnen geschaffenen Fakten beachten wir zu wenig. Das ist sehr menschlich, aber kann fatale Auswirkungen haben.

Donald Trump: Was bleibt?

Unsere täglichen Aufreger geben wir uns heute: Was ist die neueste Meldung, was der nächste Skandal? Donald Trump beherrschte das Geschäft am besten, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln.

In dem Moment, in dem die Fakten geschaffen werden, ist es oft schwierig, ihre Bedeutung richtig einzuschätzen. Trotzdem ist es wichtig, sich nicht vom täglichen Feuerwerk an Aufregern ablenken zu lassen und auch das zu sehen, was bleibt. Bei Trump könnte es sein, dass sein Kommunikationsstil nachhaltiger wirkt, als alles, was im direkten Sinne „Politik“ genannt werden kann.

Im Rückblick gelingt es besser, die Psyche der Akeur:innen und die Fakten auseinander zu halten. Sehen wir uns dazu die Bankenkrise und ihre Protagonisten an.

Bankenkrise: Täter und Unschuldige

Was bleibt von der Bankenkrise 2007/2008? Was immer privat bei den damals Verantwortlichen los war: Sie verbrannten massenhaft Finanzen und das hatte Folgen. Lebensversicherungen ging die Rendite verloren, persönliche Vermögen wurden dezimiert, Staatsschulden stiegen. Das sind die Blechschäden des Finanzmarktes.

Was ist aus denen geworden, die uns damals in die Krise steuerten? Hier eine kurze Übersicht über einige Protagonisten.

Der Unbeirrte: Jordan Belfort

Die Story von Jordan Belfort kam später groß heraus, denn sie wurde verfilmt: „The Wolf of Wallstreet“ mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle wurde Martin Scorseses größter kommerzieller Filmerfolg. Belfort war mit 26 Multimillionär, landete später wegen Betrugs für 22 Monate im Gefängnis.

Er schrieb sein Leben auf und verkaufte die Filmrechte. Nachdem der Streifen durch die Decke ging, verklagte er die Produktionsfirma. Sie habe ihn über ihre Liquidität belogen, daher sei der geschlossene Vertrag nichtig, 300 Millionen US-Dollar für die Filmrechte seien angemessen.

Der Unbefleckte: Richard S. Fuld, jr.

Der weltweite Crash wurde letztlich ausgelöst durch die Pleite der Bank Lehman Brothers. Die hoch spekulativen Geschäfte endeten abrupt. Rund 25.000 Mitarbeiter verloren von einem Tag auf den anderen ihren Job. Es entstand ein Schaden von rund 600 Milliarden US-Dollar. An der Spitze der Bank stand Richard S. Fuld.

Trotz intensiver Ermittlungen war ihm kein illegaler Handel nachzuweisen.

Das Opfer: Jérôme Kerviel

Jérôme Kerviel, vor der Krise als Händler für die französische Großbank Société Générale tätig, soll 4,82 Milliarden Euro verzockt haben. Inwiefern hatten seine Vorgesetzten und damit die Bank selbst versagt?

Mit Aktionen wie einem 2-monatigen Pilgermarsch, bevor er sich verhaften ließ und nach diversen Gerichtsprozessen, sehen viele Kerviel mehr als Opfer, denn als Täter.

Der Zerknirschte: Bernard Madoff

Der zunächst ganz legal erfolgreiche Bernard Madoff rutschte auf die Schattenseite und baute ein Schneeballsystem auf, das er viele Jahre am Leben erhielt. 2009 flog alles auf. Die Bilanz nach fast 20 Jahren Betrug: Circa 65 Milliarden US-Dollar wurden veruntreut, circa 4800 Menschen geschädigt.

Seine Söhne sprachen kein Wort mehr mit ihm, einer nahm sich das Leben. Madoff wurde zu 150 Jahren Knast verurteilt. Zerknirscht räumt er seine Schuld ein. Er habe keinen Weg gewusst, wie er aus dem selbstgebauten System hätte aussteigen können. Er sei persönlich froh gewesen, als er sich mit einem Geständnis von der Last befreien konnte, als einziger von seinem Betrug zu wissen.

Der Reumütige: Florian Homm

Florian Homm ist eine schillernde Figur. Zeitweilig gehörte er zu den 300 reichsten Deutschen, verwaltete 3 Milliarden Dollar – davon waren bei der Auflösung seiner Firma 2009 nur noch 2,3 Millionen übrig. Homm war 5 Jahre auf der Flucht und gehörte zu den vom FBI meistgesuchten Menschen.

Als er wieder aus der Versenkung auftauchte, zeigte er sich geläutert. Homm begann, über Ethik und Management zu referieren. Er sei nun gläubiger Christ.

Der Verstorbene: Georg Funke

Als Vorstandsvorsitzender der Hypo Real Estate verantwortete er das Scheitern der Bank. Sie wurde mit 50 Milliarden Euro vom Staat gerettet. Bis 2018 blieben davon 20 Milliarden Steuergeld hängen.

Funke verschaffte sich eine äußerst schlechte Presse, weil er nach seiner Entlassung die Bank auf 3,5 Millionen Euro Gehaltsnachzahlung sowie eine monatliche Rente von knapp 47.000 Euro verklagte. Er selbst musste nach einem Gerichtsprozess lediglich 18.000 Euro an karitative Einrichtungen zahlen. 2018 verstarb er im Alter von 63 Jahren.

Schuld und Sühne

Im Rückblick wird klar: Die täglichen Aufreger sind unwichtig. Entscheidend ist, was bleibt. Die nachhaltigen Blechschäden, Blessuren und Beulen. Spielt es im Nachhinein gesehen eine große Rolle, ob jemand bereut und sich vom Saulus zum Paulus wandelt oder sich als Unbeirrbarer verabschiedet? Die Milliarden sind weg.

Am augenfälligsten wird dies wohl bei der Hinterlassenschaft von Jérôme Kerviel: Ein Schaden von rund 5 Milliarden Euro. Im ersten Prozess wurde Kerviel verurteilt, den Betrag in voller Höhe zu begleichen. Selbst, wenn man dies als gerecht empfände: Es ist absurd. Er persönlich würde nur einen winzigen Bruchteil davon aufbringen können.

Insgesamt scheinen die konkreten Personen relativ austauschbar zu sein. Auch wenn uns die menschlichen Details an ihnen immer wieder fesseln: Entscheidend ist ein System, das laxe Kontrolle, einen entkoppelten Finanzmarkt und persönliche Gier auf fatale Weise verbindet. Gier mag nicht jeder Mensch auf gleiche Weise entfalten – aber grundsätzlich gehört diese Eigenschaft zu uns dazu.

2021: Klimakrise heute

In der Finanzkrise sind die bleibenden Blechschäden materieller Natur. In der Klimakrise geht es um Physik. Offenbar unternehmen wir politisch insgesamt zu wenig. Denn der CO2-Gehalt der Atmosphäre und die globale Mitteltemperatur steigen in trauter Eintracht. Die von der Wissenschaft für diesen Fall vorhergesagten Folgen sind schrecklich. Was werden die heute Verantwortlichen uns später erzählen?

Wird sich Julia Klöckner zerknirscht geben? Wird Verkehrsminister Scheuer behaupten, man hätte die Katastrophe 2021 nicht absehen können? Und welche Variante wählen später Angela Merkel und Peter Altmaier? Vielleicht die Behauptung, dass „mehr politisch nicht möglich“ war? Doch selbst die  angeblich fehlende politische Machbarkeit ändert nichts an den physikalischen Fakten.

2030: Entschuldigungen und Ausflüchte

Zu den späteren Rechtfertigungen habe ich eine kleine Umfrage bei Twitter gestartet, bei der es eine rege Beteiligung gab. Hier das Ergebnis:

(Twitter erlaubt bei Umfragen nur 4 Antwortmöglichkeiten – Herzlichen Dank an alle, die gevotet haben!).

Wenn wir 2030 mit ausgefallenen Ernten, Wasserknappheit, Fluchtbewegungen und Klimakriegen zu kämpfen haben (siehe den Risikobericht Grünbuch für eine anschauliche Schilderung), werden wir unsere heute ehrbar wirkenden Politiker:innen in einem neuen Licht betrachten.

“DAS konnte niemand wissen”, vermuteten die Teilnehmer:innen der Umfrage, sei die häufigste Ausrede. Doch, was immer unsere Politiker:innen uns einstmals erzählen werden, warum sie nichts Wirksames unternommen haben – es wird uns nichts bringen. Die physikalischen Folgen werden unerbittlich kommen, genau so, wie es die Klimawissenschaft heute vorhersagt. Die Beulen und Blessuren bleiben.

Für die Politiker:innen selbst spielen Erklärungen und später Rechtfertigungen eine erhebliche Rolle! Doch das sei nur angedeutet, denn es ist ein großes, eigenes und leider sehr verhängnisvolles Thema.

Für uns kommt es jetzt darauf an, die Politiker:innen anzutreiben, endlich das anzugehen, was Angela Merkel die „Menschheitsaufgabe“ nennt. Oder, wie Greta Thunberg es fordert: Die Krise als Krise zu behandeln. Auch wenn wir Menschen uns naturgemäß sehr für Klatsch und Tratsch, für die Psyche anderer interessieren, die Fakten bleiben. Ungeachtet unserer angeborenen Faszination für die Psyche anderer Menschen sollten wir auf die geschaffenen Fakten achten. Denn sie werden bleiben. Und wir alle werden die Folgen spüren.

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