Personalentwicklung für Mesut Özil

Derzeit lässt sich in allen Medien – und doch von vielen unbemerkt – verfolgen, wie Personalentwicklung geht. Der Mitarbeiter: Mesut Özil. Das Unternehmen: Deutschland.

Mesut Özil: Fakten und Bewunderer

(1) Özil ist der teuerste Spieler im Deutschen Team, (2) Er war Stammspieler und Schlüsselfigur unter einem der weltweit berühmtesten Trainer (José Mourinho) bei einer der besten Vereinsmannschaften der Welt (Real Madrid), (3) Özil wird vom legendären Trainer Arsène Wenger beschrieben: “Wenn du Mesut auf dem Platz siehst und dich dann nicht in ihn verliebst, hast du keine Ahnung vom Fußball.”

Unser aller Mitarbeiter Mesut Özil hat also höchst fachkompetente Bewunderer auf dem Arbeitsmarkt und selbst im Unternehmen Deutschland zweifelt niemand daran, dass er über überragende Fähigkeiten verfügt.

Schwächen von Özil

Natürlich hat Özil auch Schwächen. “Aha”, werden jetzt viele sagen, jetzt kommt es. Offensichtlich zeigt Özil – aus irgendwelchen Gründen – nicht das, was er zeigen könnte. Ein Standardproblem für jede Führungskraft – die Performance der Mitarbeiter. Vor dem Frankreich-Spiel las ich in einer Online-Überschrift, der Alt-Nationalspieler Andreas Brehme fordere, Özil wegen dieser Schwächen auf die Bank zu setzen. Nach dem Spiel folgte dann: “Er war heute mal wieder der schlechteste Mann”. Und der Beifall vieler deutscher LeserInnen wird Brehme sicher sein.

Wir alle wünschen uns den Mitarbeiter voller Stärken. Und ohne Schwächen. Aber trotz aller Wünsche: Wir haben nur die Mitarbeiter, die wir haben. Und alle Angestellten, wie eben alle Menschen, haben Schwächen. Aber hilft es nicht vielleicht, die Leute ob ihrer schwachen Seiten zu rügen und auf die Bank zu setzen?

Umgang mit Schwächen

Kommt ganz drauf an. Bleiben wir beim Fußball. Die Linksaußen-Fachkraft Lukas Podolski vollbrachte auf dem Platz schon häufig wahre Wunder, nachdem sie öffentlich in die Kritik geraten war. Harsche Worte können also das richtige Mittel für manche sein.

Ist Mitarbeiter Özil auch so ein Typ? Seine Selbstsicht spricht dagegen. Jüngst sagte er Folgendes: “Jeder kleine Fehler ärgert mich maßlos. Das war schon als Kind so.” Tut es so einem Typ gut, wenn die Medien und ganz Deutschland auf ihm herumhacken? Ein winziges Beispiel dafür: In der Spielzusammenfassung nach dem  Viertelfinale gegen Frankreich wurde ein kurzer Spielausschnitt gezeigt, in dem Özil mit einem Sprint den Ball erobert und eine prima Vorlage liefert. “Özil, sonst schwach,…” lautete der Kommentar. Schon richtig. Aber hilfreich?

Superstars anderer Länder und die Deutschen

Argentiniens Messi taucht auch mal ab. Dann kommt plötzlich ein Geniestreich, der das Spiel entscheidet. Nochmal: “der das Spiel entscheidet“. Und darum geht es doch, oder?

Die Unternehmens-Philosophie des Ballbesitz-Fußballs (Bayern, Barcelona, Spanien, teilweise Deutschland) besagt “solange wir den Ball haben, können die anderen kein Tor schießen”. Nur, dann gibt es solche Spiele: Sie schieben den Ball um den 16-ner, sie dominieren, aber nichts passiert, kein Tor. Und wer dann Özils starke Momente beobachtet, die überraschend Chancen kreieren, weiß, was ich meine. Er designt ein Spiel – so wurde es in Madrid beschrieben.

Das Unternehmen Deutschland indessen akzeptiert keine Kreativität ohne Kampf. Man muss immer kämpfen! Unbedingt! Alle Mitarbeiter des Unternehmens müssen das. So viel zumindest muss man doch wohl erwarten können! So lautet das Credo von jeher. Wenn Oliver Kahn, der diese Idee wohl wie kein zweiter verinnerlicht hat, mal wieder ein deutsches Spiel mit zu wenig Kampf moniert, hat er seinen Applaus sicher.

“Özil ist Özil”

Was also tun, mit einem Kreativkünstler, der gerne mal abtaucht? Einen Özil ohne Schwächen können wir uns nicht backen. Sie gehören zum Gesamtpaket. Wenn wir diese Schwächen abschmiergeln wollen, verlieren wir die Stärken (die Spiele entscheiden).

Also muss das Unternehmen Deutschland verstehen, dass das Abtauchen des Mitarbeiters möglicherweise die Schwäche ist, die man für die starken Momente in Kauf nehmen muss. Vielleicht ist diese Eigenart sogar ein Rezept fürs Einlullen des Gegners, kurz bevor er ausgespielt wird?

“Özil ist Özil”, sagte der weltberühmte Meistertrainer José Mourinho. Und der Sportjournalis Johannes Kopp: “Vermutlich würde man den 25-Jährigen … stärken, indem man ihn so anders sein ließe, wie er ist”. Und das ist zugleich die beste Grundregel der Personalentwicklung und der Führungskunst: Lasst den Mitarbeitern ihre Stärken! Macht sie nicht gleich, wie alle anderen, oder gar zu Schleimern, die vor allem der Massenmeinung gefallen wollen. Özil selbst, meint Kopp, hat genau das Problem: Er will allen gefallen. Will man beim einzelnen Mitarbeiter ansetzen, ist häufig dies das Problem. Er braucht einen Coach, der ihm vor allem diese Selbstsicht abtrainiert.

Zum Glück gibt es den zuständigen Vorgesetzten Joachim Löw. Ob er seinen genialen Mitarbeiter an einer anderen Position einsetzen sollte? Vielleicht. Sicher ist aber, dass jeder Mitarbeiter an den richtigen Platz im Unternehmen gehört. Dass einer, der wie Özil gestrickt ist, Freiräume braucht. Dass jeder Mitarbeiter Kritik nötig hat, dosiert in dem Maß, das für ihn das Richtige ist. Und dass jeder Mensch Zuspruch und Vertrauen von anderen benötigt. So macht es ein guter Coach: Den Kern erkennen, herausarbeiten und präsentieren.

Und die anderen genialen deutschen Seidenfüße?

Wieso schreibe ich hier ausgerechnet über Özil, fragen Sie sich vielleicht? Sind wir eigentlich auf ihn angewiesen? Ein verständlicher Gedanke, wenn man das deutsche Team von Hochbegaten betrachtet. Nur, auch dort gilt: Götze ist Götze. Müller ist Müller, Podi ist Poldi etc.. Alle Mitarbeiter haben Stärken, Schwächen und müssen individuell behandelt werden.  Stärken dürfen nie dem Common Sense geopfert werden – das verstehen wir zu wenig in Deutschland.

Trauen Sie sich Ihren eigenen Weg zu!

Dieser Artikel geht zurück auf die geniale Vorlage von Johannes Kopp in der taz.

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