Die Schubladisierung des Menschen

Laien stecken Menschen in Schubladen – Fachpsycholog:innen auch. Worin liegt der Unterschied? Und welcher Impuls könnte das ganze System umwerfen? Ein Vergleich von Laien und Psycholog:innen, bezogen auf Menschen wie Menschheit.

Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie

Im Alltag psychologisieren wir gerne. Dabei verschwinden Mitmenschen allzu schnell in Schubladen. Zuschieben, fertig. Dabei taugen die angewandten Kategorien mal mehr („ist eher extravertiert“) mal weniger („ist genau, wie meine Mutter!!“).

Die Fach-Psychologie bietet im Gegensatz dazu wissenschaftlich entwickelte „Qualitätsschubladen“ an. Dazu kommt noch ein zweiter, fundamentaler Unterschied: Die Schubladen bleiben offen! Die Arbeit daran, Menschen in die eine oder andere Kategorie zu packen – oder auch einmal eine neue aufzuziehen – hört nie auf. Dies wird stets im Bewusstsein gehalten.

Perspektivwechsel dank Entwicklung

Der zweite bedeutende Unterschied: Im Laien-Verständnis „sind“ Menschen so oder so. Der Mensch wird statisch begriffen, als etwas Feststehendes, das es zu beschreiben gilt. Komplexer und spannender ist jedoch die Frage: Wohin könnte sich dieser Mensch als nächstes entwickeln? Was sind die Möglichkeiten? Wohin könnte es gehen?

Das bei richtiger Anwendung ungemein starke Werkzeug der Ich-Entwicklung erbrachte bei einem meiner Kunden beispielsweise folgendes Ergebnis:

„Danke für den Perspektivwechsel! Dadurch schaffe ich es tatsächlich, in meinem neuen beruflichen Umfeld viel besser zu agieren. Die Erkenntnisse, die ich gewonnen habe, haben es mir ermöglicht, einen völlig anderen Zugang zu den Situationen zu finden, die mich Anfang des Jahres dem Burnout nahebrachten. Ich habe mittlerweile eine nahezu identische Situation bewältigen können, ohne mich auch nur annähernd verrannt zu haben – wie es früher öfter passiert ist. Bewusst innezuhalten und zunächst die vielfältigen Interessen zu verstehen und dann gemeinsam mit den Beteiligten auf dieser Basis die Lösung zu entwickeln – das hat einen echten Unterschied gemacht. Auch in weniger kritischen Situationen hilft mir der intensivere Blick auf meine Gegenüber immer wieder.“

Was mein Kunde hier beschreibt, ist: Er hat im Coaching einen entscheidenden Impuls bekommen. Diesen Anstoß nutzt er nun eigenständig, um sich weiterzuentwickeln. Dies geschieht zum unmittelbaren Nutzen im Alltag. Und: Die veränderte Sicht auf sich selbst und die Welt hat eine völlig neue Qualität. Ein Mensch ist dabei, sich selbst neu zu erfinden.

Eine Schublade für die Menschheit

Zoomen wir nun auf die gesamte Menschheit. Seit mindestens 40 Jahren ist das Problem der Klimakrise bekannt. Wir haben diesbezüglich 1989 den Risikobereich betreten. Ab demnächst (Globale Mitteltemperatur 1,5 Grad) geraten wir den Hochrisikobereich (deshalb ist die 1,5-Grad-Grenze so entscheidend!). Wie die Grafik unten zeigt, haben wir nichts gelernt und keine Konsequenzen gezogen. Wir haben zahllose internationale Konferenzen abgehalten. Aber wir haben diese lediglich dazu genutzt, über die Katastrophe zu reden.

Ansteigende CO2-Konzentration weltweit 1960 bis 2020, Klimakonferenzen. Danke an Michael Flammer für die Grafik!

Die zweite Grafik veranschaulicht die aktuelle Situation. Jetzt, da so viel Wissen zur Verfügung steht, wie nie zuvor. Jetzt, da wir der Klimakrise weltweit politische Bedeutung schenken. Welche Konsequenzen ziehen wir da? Die Grafik ist ernüchternd. Sie gleicht den Plänen und Vorsätzen eines seit Jahrzehnten von Drogen Abhängigen an Sylvester, der verspricht, ab Neujahr von allen Sünden abzulassen.

Weltweite CO2-Konzentration 1990-2015, nötiger Pfad bei 1,5/2 Grad, aktuelle Politik.

Die Schublade, in die unsere Spezies danach zu stecken ist, wurde von berufener Seite formuliert. Der IPCC spricht in seinem aktuellen Sachstandsbericht vom „Aussterben“ der Menschheit! (Entwurf der Arbeitsgruppe 2) Dieses ist also die uns zukommende Schublade!

Entwicklung als Ausweg

Wenden wir das Kriterium der Fachpsychologie nun an, ist wichtig: Wir sollten die Schublade immer einen Spalt offenlassen. Wenn neue Argumente auftauchen, muss es möglich sein, der zuschnappenden Falle zu entschlüpfen. Gibt es also neue, gute Gründe, hoffnungsfroh zu sein? Die Wissenschaft ist keine Party, bei der, je nach Hit/DJ und Alkoholstand die Stimmung wechselt. Sie gemahnt uns, realistisch und ehrlich zu bleiben. Der Hang des IPCC, die Lage der Menschheit ins Positive zu verzerren, hat sogar schon einen wissenschaftlichen Namen bekommen (ESLD – Erring on the Side of Least Drama). Mit anderen Worten: Realistisch betrachtet ist der Spalt wohl minimal, aus dem wir noch entweichen können. Auch hier sprechen die obigen Grafiken eine klare Sprache, was von der Menschheit in Sachen globalen Handelns zwecks Überleben in der Zukunft zu erwarten ist: Nichts.

Dennoch kommt Hoffnung ins Spiel, wenn der Astrophysiker Adam Frank uns als „kosmischen Teenager“ bezeichnet. Denn dies bedeutet: Die Menschheit ist unterentwickelt. Und zwar, das ist wichtig: Noch! Denn Entwicklung ist jederzeit möglich! Entwicklung verweist immer auf eine Zukunft, die wir noch nicht kennen. Unsere Zukunft könnte radikal anders sein, als alles bisher Bekannte. Dies bezieht sich leider nicht auf unsere naturwissenschaftlich beschreibbare Situation. Wohl aber auf das, was auch von der Wissenschaft mittlerweile als bedeutendster Faktor bezeichnet wird: Unser Verhalten! Der soziale Wandel ist der Gamechanger!

Entwicklung zeichnet sich immer dadurch aus, dass sich der Gegenstand der Betrachtung selbst verändert. Es geht nicht mehr um die passende Schublade, die etwas in der Gegenwart beschreibt. Wir sprechen von einer völlig veränderten Zukunft. Einem neuen Ordnungssystem!

Den Boden bestellen für Klimagerechtigkeit

Vor Kurzem verwies der Risikoforscher Roselieb darauf, dass die Flutkatastrophe im Ahrtal wohl noch nicht deutlich genug für uns war. Verzweifelt könnte man fragen: Was denn noch? Welche Dimension von Katastrophe braucht die Menschheit, um endlich aufzuwachen? Nun, ich weiß es zwar nicht. Aber eines ist für mich sicher. Auch im Coaching arbeite ich konsequent mit bewährten Tools und versuche, Entwicklungsprozesse bestmöglich zu organisieren. Und doch weiß ich nie im Voraus, wann eine Erkenntnis „ins Laufen kommt“.

Genauso ist es mit der Menschheit. Wir müssen alle das Beste geben, um auf die gerade ablaufende Katastrophe aufmerksam zu machen. Die Fakten erklären. Die Bedeutung der Lage für jede:n einzelne:n. Wir müssen das tun, weil es notwendig ist, um der Erkenntnis Bahn zu brechen. Und wir wissen nicht, wann unsere Bemühungen Erfolg haben werden. Aber wir können sicher sein, dass es notwendig und richtig ist, was wir tun.

Wie Landwirt:innen bestellen wir bestmöglich den Boden. Wie viel Sonne scheint und wie stark es regnet, liegt nicht in unserer Hand. Wenn die Saat noch nicht aufgeht, fehlt noch irgendetwas. Doch wenn diese noch fehlende Komponente dazukommt, kann unsere weitere Reifung als Menschheit stattfinden und wir können frisch erblühen. Dann wird es wichtig sein, dass einige von uns zuvor beharrlich, zuversichtlich – und wo nötig gegen alle Widerstände – den Boden bestellt haben.

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