Arbeitsüberlastung: Wie Sie jetzt richtig kommunizieren

Stress bei der Arbeit ist ein viel beklagtes Problem. Aber welche Arbeitsbelastung ist noch machbar, welche zu hoch? Wie wird das richtige Maß verhandelt? Dieses Problem stellt sich auf jeder Hierarchieebene.

Der Chef-Job: Möglichst viel herausholen

Die Karrieremechanik eines Betriebes im Kapitalismus ist es, möglichst viel Arbeitsleistung aus einem gegebenen Quantum an Zeit heraus zu holen. Dieser Satz betrifft nicht nur Unternehmen der Wirtschaft. Auch jede öffentliche Einrichtung oder Stiftung muss sich der Frage stellen, was sie aus den zur Verfügung stehenden Geldern macht.

Wenn das Arbeitsklima stimmt, der Chef ein netter Kerl ist und die Aufgaben interessant, macht es sogar Spaß, viel zu leisten. Im Optimalfall fällt das Aushandeln dessen, was noch machbar ist, gar nicht ins Gewicht. Fast ohne eine Verhandlung feststellen zu können, findet man gemeinsam eine vertretbare Lösung. Dennoch ist dieses Maß an sich im Kern immer noch das wichtige Thema. Und je schlechter die Arbeitsbedingungen, desto drängender stellt sich die Frage: Wie wird dieses Maß ausgehandelt?

Bloß keine Schieflage

Für Auftragsspitzen lautet die Regel eins: “Lasse sie nie zum Dauerzustand werden!” Man kann es auch anders ausdrücken: Wenn dauerhaft die eine Seite mehr gibt, als es angemessen ist, läuft etwas falsch und sollte korrigiert werden. So würde beispielsweise eine Managerin trotz vielen Einsatzstunden vielleicht Freude dabei empfinden. Wenn jedoch eine Entscheidung gegen sie läuft, wird dieses Ungleichgewicht plötzlich zum Thema. Sie ärgert sich, das stillschweigende Agreement, dass sie so viel arbeitet, passt nicht mehr. Dennoch kann sie nicht einfach davon zurück treten – sie selbst hat den Standard (mit-) etabliert.

Jederzeit kann eine Entscheidung gegen einen laufen, die Strategie sich ändern, ein Unternehmensteil verkauft werden, ein sicher geglaubtes Geschäft platzen, ein Mentor verschwinden. Da helfen Versprechungen des Unternehmens oder der Chefin nichts: Ein Übermaß auf Dauer schafft ein Ungleichgewicht, das prekär ist. Denn dass ein Versprechen eingelöst wird, ist nicht nur eine Frage des guten Willens, sondern auch gleicher Ausgangsbedingungen. Und kein Mensch kann vorhersagen, ob die Bedingungen morgen noch so sein werden, wie sie heute sind.

Die Grenze bestimmen: Was ist zu viel?

Immer, in jedem Arbeitsverhältnis, taucht früher oder später das Problem auf, den Chef und seine Erwartungen frustrieren zu müssen. Gute Leute bekommen zusätzliche Aufgaben. Sie arbeiten schneller und besser als andere. Also haben sie Zeit für weitere Aufgaben übrig. Gute Chefs guter Leute erkennen dies und geben ihnen weitere Aufgaben dazu. Das läuft darauf hinaus, dass früher oder später unweigerlich der Punkt kommt, an dem auch ein High Performer die Grenze ziehen muss.

Der Kommunikationsinhalt ist klar: “Chef, mehr geht gerade nicht!” Fraglich ist jedoch der Zeitpunkt und die Art und Weise, mit der man sich äußert. Zunächst zum Zeitpunkt. Nehmen wir an, 100 Prozent ist ein guter Wert, für Ihr Leistungsvermögen – auf Dauer. Was sind 100 Prozent in absoluten Zahlen? Das könnte man sich ungefähr so herleiten: Mein Arbeitsvertrag bzw. der letzte tariflich gebundene Vertrag – sagt etwas von 38 Wochenstunden Regelarbeitszeit. Angesichts meines Gehalts und der Art meines Jobs sowie meiner persönlichen Konstitution empfinde ich aber durchaus z.B. 45 Stunden okay – auch auf Dauer. Mehr jedoch nicht. Das wären dann die 100 Prozent. (suchen Sie einen Wert, der für Sie der richtige ist!).

Sie merken also beispielsweise, dass Sie anfangs 45 Stunden gearbeitet haben. Nach der Einarbeitung wurde es etwas weniger – Sie bekamen aber mehr Aufgaben. So pendelte sich schließlich ein durchschnittliches Maß ein, das sich inzwischen deutlich der 100-Prozentgrenze annähert – manchmal vielleicht sogar darüberliegt. Es ist absehbar, dass sich das auch nicht mehr ändert.

JETZT wäre der richtige Zeitpunkt für Sie, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wir reden also von dem Zeitpunkt, an dem Sie noch nicht dauerhaft über der 100-Prozentgrenze liegen. Warum sollten Sie bereits jetzt die Grenze ziehen? Hierfür gibt es einige Gründe: Es kann immer sein, dass ein wirklich dringendes Projekt anliegt, dass Sie privat eine Durststrecke durchleiden oder Ihnen ein unerwartetes Hindernis begegnet, das Ihren Output reduziert. Sie müssen also immer noch etwas Luft lassen, um in solchen Fällen flexibel zu sein.

Kommunikation: Wie bremse ich meinen Chef?

Ihr Chef benötigt ein möglichst frühzeitiges und klares Signal von Ihnen – nur dann kann er umdisponieren. Das heißt: Alle hübsche Verpackung darf nicht dazu führen, dass Ihre Botschaft unklar oder missverständlich formuliert wird. Genug ist nunmal genug. Außerdem gilt auch jetzt der passende – und das heißt frühe – Zeitpunkt. Wenn fest damit gerechnet wurde, dass Sie den Job übernehmen und Sie das nicht tun, kann es sein, dass es so schnell überhaupt keine andere Lösung gibt.

Daher ist entscheidend, dass Sie eine Art Stotterbremse einlegen – statt einer Notbremsung. Die Stotterbremse benötigt aber mehr Zeit – also muss sie frühzeitig betätigt werden.

Zusammengefasst gilt also:

  • Senden Sie rechtzeitig Signale, dass Sie überlastet sind.
  • Wählen Sie eine Zeit, zu der Ihr Gesprächspartner sich auf Ihr Anliegen konzentrieren kann.
  • Formulieren Sie nett, verständnisvoll aber bitte völlig unmissverständlich.
  • Klagen Sie nicht, stellen Sie fest.
  • Diskutieren Sie Lösungen, nicht jedoch Ihre Überlastung.
  • Wiederholen und verstärken Sie die Signale rechtzeitig.
  • Versuchen Sie, feste Zusagen zu bekommen mitsamt Termin (zumindest für das nächste Gespräch).

Und wenn Sie Chef sind?

Wenn Sie selbst Chef sind: Woher wollen Sie wissen, dass Ihr Mitarbeiter nicht doch noch ohne größere Probleme mehr leisten kann? Kehren Sie die Stotterbremse um, indem Sie austesten, was geht. Wollte Ihr Mitarbeiter nur klagen, sein Engagement auf das niedrigst-mögliche Level einstellen oder sich indirekt lobpreisen? Oder ist es ein ernst zu nehmender Hinweis? Gehen Sie wie folgt vor:

  • Hören Sie genau hin, was gesagt wird.
  • Beobachten Sie die Körpersprache. Bietet sie Anhaltspunkte für die Überlastung?
  • Sammeln Sie Informationen, die Sie über Kollegen oder andere Mitarbeiter bekommen.
  • Sehen Sie die Arbeitsleistung an: Nimmt sie tatsächlich ab? Nehmen kleinere Fehler zu?
  • Bedenken Sie das private Umfeld und fragen Sie auch verständnisvoll danach.
  • Testen Sie, was geht, indem Sie die Anforderungen variieren.

Und wenn das alles nichts hilft? Wenn die Arbeit absehbar in keiner Weise abnimmt, keine Entlastung kommt bzw. der Mitarbeiter erkennbar grundlos klagt? Dann muss über berufliche Umorientierung nachgedacht werden. Menschen funktionieren schließlich nicht wie Maschinen. Und unsere Lebenszeit ist zu kostbar, um uns kaputt zu arbeiten.

2 Kommentare

  • Sehr geehrter Herr Burger,
    Interessante Zusammenstellung zum Thema Arbeitsüberlastung.
    Könnten Sie Ihren Beitrag noch ergänzen, wie soll ein Arbeitnehmer damit umgehen, wenn der Vorgesetzte wiederholt zusatzaufgaben einem aufträgt.

    Antworten
  • Guten Tag & vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Das “wiederholt Zusatzaufgaben” auftragen ist eine der Methoden, die Chefs eben anwenden, d.h. so kommt Arbeitsüberlastung zustande – Gegenrezept s.o. / Stotterbremse (eine Zusatzaufgabe übernehmen, die andere schieben oder einschränken etc.)
    Beste Grüße, Christoph Burger

    Antworten

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