Warum Querköpfe gefragt sind – aber nicht jeder Querkopf

“Herr Burger, Sie sagen dass Charakter im Beruf gefragt ist – das erlebe ich nicht so.” Klar, denke ich: Missverstehen darf man diese Aussage nicht. Aber wie ist sie denn nun gemeint? Wieso sind Querköpfe gefragt, aber nicht jeder Querkopf?

Statistik, Wissenschaft und Experten helfen

Statistische Auswertungen können uns die Welt verständlicher machen. So ist es sicherlich bei der Berufswahl sinnvoll zu wissen, dass die Stern-Jobampel für Germanisten auf Dunkelorange steht, für Humanmediziner dagegen auf grün. Es ist hilfreich, sich vor dem Einschreiben an der Uni zu vergegenwärtigen, dass immer noch Zahnärzte an der Spitze der Verdienstpyramide stehen – während Sozialarbeiter einkommensmäßig das Nachsehen haben. Und wir lernen viel daraus, dass Forscher jüngst als Bildungsrendite berechnet haben: Jedes Jahr, das wir in die Bildung investieren, bringt im Schnitt 5 Prozent Einkommenszuwachs. Wir sollten solche Fakten bei unseren Entscheidungen berücksichtigen und nicht blauäugig davon ausgehen, dass es bei uns persönlich ganz anders laufen wird.

Statistik gilt nie für den Einzelfall

Was dagegen Fehlschlüsse wären: “Es gibt keine arbeitslosen Ärzte? Von wegen, ich kenne einen.” “Sozialarbeiter verdienen nichts? Von wegen, ein Kumpel von mir arbeitet im Sozialministerium und bekommt ein stattliches Gehalt.” Oder: “Ich kenne einen, der hat zwei Studiengänge und drei Weiterbildungen abgeschlossen und den will kein Arbeitgeber einstellen.” Auch das gibt es – klar. Denn Statistik gilt nie für den Einzelfall. Um eine Statistik zu erstellen, braucht man eine größere Anzahl von Fällen. Die dann erstellte Statistik gilt deshalb immer dann, wenn man eine solche größere Anzahl betrachtet. Wenn hundert Sozialpädagogen eines Jahrgangs eine FH als Absolventen verlassen, kann man davon ausgehen, dass sie insgesamt weniger verdienen werden, als hundert Wirtschaftsingenieure. Man findet aber mit Sicherheit einige Wirtschaftsingenieure, die schlechter Abschneiden, als einige Sozialarbeiter.

Allgemeine Aussagen von Experten sind wie Statistik

Wenn ich behaupte, dass Querköpfe in Zukunft gefragt sind, ist das eine Aussage, die ähnlich wie eine Statistik funktioniert. Ich beziehe mich dabei auf die dramatische Entwicklung des Erwerbspersonenpotentials (Anzahl arbeitsbereiter und -fähiger Menschen), insbesondere ab 2014. Und auf die Globalisierung. Die Bezugsgröße sind also ein paar Millionen bzw. Milliarden Menschen. Man kann aus meinen Behauptungen schließen, dass gut ausgebildete Menschen hierzulande zunehmend gefragt sein werden. Man kann schließen, dass originelle Denker gute Chancen behalten, während kopierbare Tätigkeiten in andere Länder abwandern. Das ist gut zu wissen. Aber ein  Einzelfall bleibt ein Einzelfall.

Das Pachulke-Phänomen

Sind also Querdenker gefragt oder nicht? In meinem Buch habe ich den Fall meines Kunden, Herrn Pachulke, erzählt. Er zeigte sich als  fachlich beschlagen und als aufrechter, etwas raubeiniger Charakterkopf. Eine wegen seiner Fachkompetenz schon sicher geglaubte Jobzusage wurde zurückgezogen. Pachulke hatte sich mit allen im Betrieb angelegt – und das wurde ihm zum Verhängnis. Das “Pachulke-Phänomen” ist nun, dass Menschen, die Anecken, ihren Misserfolg darauf zurück führen, dass sie anecken. Sie greinen dann weinerlich: “Überall wird gesagt, dass Charaktere gefragt sind. Aber das stimmt gar nicht. Ich bin das beste Beispiel.” Was ist davon zu halten? Haben sie nicht Recht mit ihrer Klage?

Querkopfsein allein ist zu wenig

Ich habe die größte Hochachtung vor dem Mut anzuecken – nicht umsonst habe ich dazu zwei Bücher geschrieben. Ich schätze den Wert derer, die aus der Reihe tanzen, außerordentlich. Und ich bin aufgrund von wissenschaftlichen Karrierestudien und Aussagen von führenden Personalberatern überzeugt, dass Charaktere auch in der Wirtschaft gefragt sind. Aber das Querdenken kann im Job weder Leistung noch Qualität ersetzen. Von einem Top-Mitarbeiter – das heißt, von einem auf dem Arbeitsmarkt top gefragten Mitarbeiter – ist zu erwarten: Er ist fachlich kompetent. Er beherrscht die gängige Methodik und Technik. Er hat ausreichende Kompetenzen im Bedienen der Branchen- und allgemeinen Bürosoftware. Er kann gut mit Menschen: Zuhören, selbst reden, moderieren. Kann gut analysieren und ordnen. Hat ein akzeptables Ablagesystem, keine Scheu vor dem Telefon und eine ausreichende schriftsprachliche Kompetenz. Und dazu ist er Querkopf – ein origineller Charakter, der mit Schrullen und Eigenheiten versehen, auch leicht mal aneckt. Das heißt, die Querköpfigkeit kommt bei ihm oder ihr zur guten bis sehr guten Basis dazu.

Scheiss elitär

Sorry, wenn das jetzt scheiss-elitär klang. Aber das verstehe ich unter Top: Erste Güte in allen Belangen und dazu ein Querkopf. Querkopf alleine genügt keineswegs. Wer in der Fach-, Sozial- und Methodenkompetenz bestenfalls Durchschnitt bietet, muss als Querdenker Glück haben oder bei der Arbeitssuche besonders nach kweren Unternehmen suchen oder ordentlich ranklotzen, um interessierte Arbeitgeber zu finden. Gegreine ob der eigenen Erfolglosigkeit ist nicht angebracht und nicht berechtigt – auch nicht, wenn man sich auf mein Buch beruft.

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