Erfolg ist Ansichtssache

Ein Freund von mir ist extrem. Ich mag extreme Menschen. Mein Freund hat immer Erfolg – egal was er macht. Mit großer Begeisterung berichtet er mir beispielsweise, dass er gerade – wieder mal – den Beruf gewechselt hat. Oder davon, dass seine älteste Tochter sogar auf die Realschule kommt.

Gibt es objektiven Erfolg?

Nach den üblichen Kriterien ist klar: Berufswechsel sind nichts gegen Karrieren, die mit Aufstieg verbunden sind. Das Gymnasium zählt mehr, als die Realschule. Bedeutet dies, dass mein Freund ein verrücktes Weltbild mit kuriosen Maßstäben pflegt? Oder heißt es, dass jeder selbst festlegen darf, was er oder sie als Erfolg betrachtet?

Wie hoch liegt die Latte?

Als ich nach der Grundschule aufs Gymnasium wechselte, verbuchte ich das schon als Erfolg. Aber für mich war es gleichzeitig eine Selbstverständlichkeit. Nicht wegen meiner überragenden Schulleistungen. Sondern zu einem wesentlichen Teil, weil ich mich im Vergleich mit meinen älteren Geschwistern sah. Die waren auf dem Gymnasium. Also war das auch für mich schlicht standesgemäß.

Wie sich “Erfolg” anfühlt

Ähnlich ordne ich meinen weiteren Lebensweg ein. Abitur war sowieso selbstverständlich, schließlich: Ziel der Schule. Hochbegabten-Stipendium? Klar. Einser-Examen? Schön, aber ein äußerlicher Markstein. “Aufstieg” als Bewerbungstrainer an die rennommierteste Adresse (Hesse/Schrader)? Lehrbeauftragter an der Uni Mannheim? Jetzt gerade das dritte Buch? Zahlreiche Interview-Anfragen von bekannten  Medien? Schön, okay. Aber erfolgreich, ich? Naja – für mich fühlt sich das nicht so an. Mein Freund dagegen berichtet zu jeder Zeit unvermindert enthusiastisch von seinem Leben.

Anspruch und Erfolg

Was folgt daraus? Erstens: Erfolg misst sich an den Kriterien, die einer anlegt. Zweitens: Wer die Latte niedrig hängt, wird sie eher überqueren, also eher erfolgreich sein. Andererseits wird er “objektiv” weniger erreichen; denn hohe Ansprüche ziehen beharrliche Arbeit nach sich und führen so letztlich zu Triumphen. Die innere Zufriedenheit ist jedoch beim Niedrigleister höher. Wer sich vom Diktat der Gesellschaft frei macht, lebt also glücklicher.

Glücklicher dank rosaroter Brille

Objektive Kriterien können schlimm sein. 99,9 Prozent der Menschen müssen sich, verglichen mit dem Schönheitsideal der Gesellschaft, wenig attraktiv finden. 99,9 Prozent der Menschen werden einem schlaueren begegnen. Und 100 Prozent der Menschen machen Fehler. Eigentlich müssten wir uns schrecklich fühlen. So ist es aber nicht. Unser Trick ist der konsequente Blick durch die rosarote Brille.  Die meisten verklären die Welt ungeniert zu ihren Gunsten: 94 Prozent der Collegeprofessoren in den USA glauben, dass sie ihre Arbeit besser machen als ihre Kollegen. Und jeder vierte Student ist der Meinung, zum leistungsfähigsten einen Prozent der Studierenden zu gehören. Das kann schon statistisch nicht sein. Egal welche Gruppe man betrachtet: Die meisten sind Mittelmaß.

Anerkennung for nothing

Folgerichtig ruft der Autor Markus Reiter zum “Lob des Mittelmaßes” auf. Man sollte lernen, sich für das, was man leistet, anzuerkennen. Ich persönlich greife gelegentlich zum Äußersten und erkenne mich schlicht dafür an, dass ich bin (siehe die hier beschriebene Übung). Wie man diese Anerkennung aber mit anspruchsvollen Zielen zusammenbringt? Das weiß ich nicht – das schreibe ich einfach mal hier hin. Vielleicht wissen Sie es – schreiben Sie mir eine Email oder unten per Kommentar!

Richtig loben

Wie sollten wir Erfolg bei anderen begegnen? Kinder haben am meisten von unserem Lob, wenn wir ihre Anstrengung hervorheben. Das sorgt dafür, dass sie sich auch in Zukunft wieder anstrengen. Wer dagegen das Ergebnis lobt, erreicht, wenn er das allzu ausgiebig tut, das Gegenteil: Das Kind strengt sich lieber weniger an, um den ausbleibenden Erfolg nicht auf die eigene Person beziehen zu müssen (Studie dazu).

Mein Freund, das Phänomen

Mein Freund bleibt für mich ein Phänomen. Trotz vieler Überlegungen und Erkenntnisse komme ich zum Schluss: Ich persönlich wurschtele mich anders durchs Leben. Sie vielleicht auch? Dann geht heute ein besonderer Gruß an Sie! Und an die notorischen Erfolgsschreiber in eigener Sache: Gratuliere zum gesunden Selbstbewusstsein mit Wohlfühlgarantie! Solange Sie bereit sind, gelegentliche Fehler einzuräumen und für einen kritischen Gedanken zum Weltgeschehen zu haben sind, falls angebracht: Ich bleibe Ihnen gewogen! Wie auch meinem Freund, dessen Erzählungen ich durchaus genießen kann. Ganz unironisch gemeint: Es hat was Tolles, wenn einer so von sich überzeugt sein kann.

Nach Erstellen dieses Beitrags stieß ich auf eine mögliche Erklärung für das Hochhängen von Erfolgslatten – siehe den Eintrag von gestern. Morgen geht es um Hochbegabung.

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