Austauschbarkeit reduziert Wirkung – ein Gegenbeispiel

“Du, Papa, wieso sind manche Kunstwerke so viel Wert?” fragte mich mein Sohn. “Weil es nur ein einziges Original gibt,” antworte ich.  Ähnlich ist das auf dem Arbeitsmarkt. Originale erzielen Höchstpreise, Kopien sind uninteressant. Globalisierung und Technischer Fortschritt werden diese Tendenz noch verstärken. Trotz der äußerst günstigen Ausgangssituation für die Zukunft, über die ich hier zuletzt schrieb.

Trainersprechblasen gestrichen

Ein Hort abgegriffener Kopien sind die Sprechblasen, wie sie Fußball-Trainer gewöhnlich ablassen. “Wir haben gekämpft, aber verloren”, sagen sie etwa, oder “Am Ende war es ein verdienter Sieg.” Zur Zeit macht es vor allem einer anders. Christian Streich, seit der Winterpause Trainer des SC-Freiburg. Dieser Verein galt schon immer als etwas anders. Beispielsweise wurde dort schon zehn Jahre früher als andernorts das Spieler-Kollektiv gelobt und der mündige Spieler gefragt. Es wurden neue, kreative Spielsysteme etabliert. Manche Spieler kamen mit dem Zug oder dem Fahrrad zur Arbeit. Andere äußerten in Interviews philosophische Gedanken. Legendär blieb z.B. der als “Strafraum-Melancholiker” bezeichnete Stürmer und Kapitän Uwe Spies. Auf dem Stadiondach gab es früh eine Solaranlage und zum Auswärtsspiel fuhr die Mannschaft schon mal mit dem ICE.

Erfolg, Niedergang und Auferstehung einer Marke

All dies war mit dem Langzeit-Trainer Volker Finke und dem Langzeit-Präsidenten Joachim Stocker verbunden. Dann hatten die Freiburger ihren Finke, der immer autoritärer wurde, doch satt. Man trennte sich zum Ende der Saison 2007. Stocker verstarb. Der neue Trainer, Robin Dutt, sorgte zunächst für den Aufstieg, dann für den Klassenerhalt und für einen, gemessen am Etat, sensationellen 9. Abschlussplatz im Jahr 2011. Der Cotrainer übernahm die Mannschaft praktisch unverändert. Trotzdem hieß die Bilanz ein halbes Jahr später: Tabellenletzter. Immer noch war die Mannschaft spielstark, aber vorne erzielte sie zu wenig Tore und hinten gab es immer wieder einzelne, aber eklatante Fehler.

Dann, in der Winterpause, mussten zunächst einige Spieler gehen und dann der Trainer (Sorg). Freiburg, so hieß es, sei jetzt ein ganz normaler Club geworden, der Trainer entlässt, wie jeder andere Verein auch. Doch dann übernahm Christian Streich, ein Freiburger Urgestein, den Job. Während sein Vorgänger Lethargie ausstrahlte, gab es bei Streich spürbares Engagement. Auf der Basis von enthusiastischer Arbeit und hoher Fachkompetenz, schaffte Streich die Wende. Nach und nach wurden die Schwächen hinten beseitigt. Junge Nachwuchsspieler rückten in die Mannschaft auf. Und Streich symbolisiert damit das andere, was Freiburg ehemals auszeichnete.

Interviews mit einem Original

Was der Trainer mache, wurde der Spieler Sebastian Freis im SWR gefragt. Er sage, was er denke. Ehrlich und direkt. Das tue manchmal weh, wenn die Fehler direkt benannt werden. Aber das sei das Richtige für die Mannschaft im Moment, so Freis. “Im Moment”, frage ich mich? Nein, das glaube ich so nicht. Meine These: Es ist immer gut für eine Mannschaft – egal ob im Fußball oder in der Wirtschaft. Wenn Sie derzeit ein Original über seine Arbeit sprechen hören wollen, lauschen Sie einem Interview mit Christian Streich. In einem “domestizierten Allemanisch”, wie ein Journalist es nannte, redet Streich mit der Presse genauso, wie mit seinen Spielern. Ehrlich, direkt. Er sagt z.B. wie es sich anfühlt, der Trainer eines Tabellenletzten zu sein, der gerade schon wieder verloren hat. Oder der Trainer eines ehemals Tabellenletzten zu sein, der einen Punkt geholt und ein geiles Spiel abgeliefert hat. Die Öffentlichkeit ist begeistert: Solche Menschen gibt es in unsererer abgeklärten (Medien-) welt viel zu wenig.

Die ideale Führungskraft

Letzte Woche wurde ich in mehreren Interviews gefragt, was für mich die ideale Führungskraft ausmache. Meine Antwort: “Klarheit, Konsequenz, Menschlichkeit. Das alles auf der Basis von eindeutigen Werten und einem festen Charakter.” Dann überlegte ich einen Moment, denn mir fiel auf, dass ich die Latte gerade sehr hoch gelegt hatte. Und dann fügte ich hinzu: “Die ideale Führungskraft darf für mich auch mal ausrasten, wenn sie sich hinterher entschuldigt und die Beziehung auf neuer, ehrlicher Ebene vertieft. Rumzicken, Fehler machen – das ist alles okay, wenn die Basis steht, wenn aus Fehlern gelernt wird und Auseinandersetzungen dazu genutzt werden, zusammen zu wachsen, und die Beziehungen und Abläufe letztlich zu verbessern.”

Diese Beschreibung trifft zu 100 Prozent auf das zu, was ich über Christian Streich geschrieben habe. In Punkto Expertentum und Fußballverrücktheit dürften viele Kollegen ähnlich gerüstet sein, wie Streich. Seine einmalige Ausstrahlung kommt indessen daher, dass er Charakter zeigt. Und daran, wie sehr alle Medien und das Publikum davon begeistert sind, erkennen Sie, wie sehr wir solche Persönlichkeiten im Alltag vermissen.

Und Sie? Sind Sie dabei? Wollen Sie Charakter zeigen? Wo wäre das heute möglich? Was möchten Sie Ihrem Sohn heute Abend antworten, wenn er Sie fragt: “Wo warst du heute so, wie ein Kunstwerk? Wie ein Original, das es nur einmal gibt?” Vielleicht machen Sie aufgrund dieser Überlegungen heute nur einen einzigen Punkt anders. Es wird der entscheidende Punkt sein. Heute ist schließlich nur der Anfang vom Rest Ihres Lebens.

Übrigens: Während alle vor einem entscheidenden Kick über die Bedeutung des Spiels redeten, sagte SC-Freiburg-Trainer Streich: “Sterben müssen wir, gewinnen nicht.”

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