Das Credo vieler Bewerbungstrainer lautet: “Strenge dich mehr an, dann wirst du erfolgreich sein.” Eine heikle Empfehlung!
Natürlich erkennt jeder erfahrene Bewerbungstrainer und Karriereberater bei fast jedem beliebigen Kunden eine Menge unausgeschöpftes Potential. Allerdings sind Arbeitssuchende keine Profis der Selbstvermarktung. Ihre Domaine sind Maschinensteuerungen, Gesetzestexte oder chemische Reaktionen.
Dennoch: Ungerührt schieben viele Politiker, Arbeitgeber-Vertreter und sogar Bewerbungstrainer den Betroffenen selbst den schwarzen Peter zu. Die Forderungen der 68er nach mehr Freiheit erweist sich heute als Bummerang. Unter dem eigentlich positiven Wert der Freiheit findet heute allerlei Murks und Rücksichtslosigkeit bequemen Unterschlupf. Der Soziologe Ulrich Bröckling hat das Thema in “Das unternehmerische Selbst” aufgegriffen. Die wissenschaftliche Arbeit in Thesen verpackt:
– Früher gab es verantwortliche Chefs. Heute gibt es den unternehmerisch denkenden Arbeitnehmer.
– Früher gab es soziale Sicherungssysteme. Heute gibt es eigenverantwortliche, sich selbst versichernde Bürger.
– Früher gab es klare Zielvorgaben der Chefs. Heute gibt es flexible Arbeitnehmer.
– Früher gab es soziale Verantwortung der Unternehmer. Heute gibt es die Selbstverantwortung des Arbeitssuchenden.
– Früher gab es keine Bewerbungstrainer….
… Heute sind Sie gefordert, die richtige, seriöse Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aber: Nachdem Sie das getan haben, sollte es eine Teilung der Verantwortung geben. Ihr Berater ist für die professionellen Tipps zuständig. Sie setzen sie um. Sollten Sie als Jobsuchender von einem Trainer auch noch gesagt bekommen: “Strengen Sie sich mehr an!” Dann dürfen Sie sich getrost beleidigt fühlen.
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