Psychologie: Warum Deutschland Fußball-Weltmeister werden musste

Der Weg zum Weltmeistertitel ist ein sportlicher Erfolg. Er kann aber auch psychologisch erklärt werden. Warum mussten die Profi-Fußballer des DFB diesen Karrierehöhepunkt zwangsläufig erreichen? Aus der Antwort können wir alle für die eigene Berufslaufbahn lernen.

Die heikelste Situation einer Karriere

Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft auf dem Platz. Im Stadion: Zehntausende. Dazu fangen hunderte Kameras Sie aus allen Blickrichtungen ein. Ihr Spiel wird in die Wohnzimmer Ihres Landes übertragen, Ihre Aktionen erscheinen auf den Leinwänden des Public Viewings in Ihrer Heimat. Und weltweit sehen eine Milliarde Menschen zu, wie Sie sich auf dem Fußballplatz anstellen. Dazu kommt: Alle wichtigen Leute bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber betrachten und bewerten Ihre Leistung und Sie stehen im Focus aller möglichen Arbeitgeber weltweit.

Sie erkennen riesige Chancen, aber auch ein kapitales Risiko. Was würde Ihnen in dieser härtesten Prüfung Ihrer Laufbahn, am meisten helfen?

Psychologie des Fußballspiels

Die Psychologie des Fußballspiels hat viele Väter und Mütter. Im Grunde könnte jede Theorie zur Anwendung kommen. Jedoch: Die eine mehr, die andere weniger. Mir scheint hier ein Gedanke des berühmten, inzwischen 88-jährigen kanadischen Psychologen Albert Bandura entscheidend. Er führte in den 1970er Jahren die Idee der “Selbstwirksamkeitserwartung” (SWE) ein.

SWE bezeichnet die eigene Erwartung, aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolgreich selbst ausführen zu können. Erfolgreich bewältigte Krisen stärken diese Zuversicht. Die Erregung bei ähnlichen Aufgaben wird begrenzt, wodurch die Sicherheit für richtige Entscheidungen steigt.

Das Negativ-Beispiel lieferte Brasiliens Mannschaft im Halbfinale: Wie konnte der Turnierfavorit durch ein einziges deutsches Gegentor derart verunsichert werden, dass gar nichts mehr ging? Die Belastung der brasilianischen Spieler waren enorm. Sie trugen weit mehr als die sportliche Last und bewegten sich nicht allein auf der Schaubühne für die eigene Karriere. Nein, bei dieser Heim-WM galt es zusätzlich, den sozialen Frieden im Land zu sichern. Ihr ganzes Volk sollten sie durch den Titelgewinn versöhnen. Eine unmögliche Aufgabe. Die Chancen, aber vor allem die Risiken waren für sie übermächtig – beim ersten, frühen Gegentor sahen sie nur noch Abgrund vor sich.

Effizienz und Beharrlichkeit

Ganz anders die Situation der deutschen Mannschaft im Finale. Viele Schlüsselspieler stehen zum wiederholten Mal in EM- oder WM-Finals bzw. Halbfinals. Dazu kommen die Erfahrungen in der Champions-League. Die Bilanz aus der Qualifikation zu diesem Turnier ist überragend.

Von sportlicher Seite machte Thomas Müller auf die erfolgreiche Weiterentwicklung des Teams aufmerksam. Früher habe man den vielgelobten Konterfußball gespielt, weil man nichts anderes konnte. Schön anzuschauen, aber auch Kennzeichen für einen Mangel; das Spiel konnte nicht sicher genug systematisch entwickelt werden.

Der Weg ins Finale war durch rauschhafte Spiele wie das 4:0 gegen Portugal und das 7:1 gegen Brasilien genauso gekennzeichnet, wie durch hart erkämpfte und letztlich ausreichende Ergebnisse. Durch beide Sorten von Spielen wurde die Selbstwirksamkeitserwartung gestärkt.

4:4 Das Beinahe-Debakel gegen Schweden

Wie kann man einen 4-Tore-Vorsprung noch herschenken? Das war beim 4:4 gegen Schweden die Frage, welche ich aus psychologischer Sicht damals beantwortet hatte. Ohne dieses Erlebnis wäre das Brasilien-7:1-Ergebnis nicht zustande gekommen! Nur durch die Erfahrung mit Schweden konnte die Konzentration im Halbfinale gegen Brasilien bis fast zum Ende hin hoch gehalten werden. Die Erkenntnis war: Es gibt im Fußball praktisch keinen Vorsprung, der nicht doch noch verspielt werden könnte, falls man nicht aufpasst. Man darf nie zu sehr locker lassen. Theoretisch trivial – aber ganz anders und nachhaltig lehrreich wirkt diese Weisheit, wenn man sie in einem wichtigen Spiel selbst erlebt hat. Das Ergebnis dieser Haltung: Das schier unfassbare 7:1 im Halbfinale.

Konzentration bis fast zum Ende. Kein Nachlassen, keine Überheblichkeit. Daran konnte man die hohe SWE der deutschen Mannschaft erkennen. Denken Sie außerdem an das Algerien-Spiel, an die Ausflüge Manuel Neuers. Wie leicht hätte das schief gehen können? Neuers Überzeugung, in jedem Fall den genau richtigen Moment für den Sprint auf den gegnerischen Stürmer zu erwischen zu können, ließ ihn die Situationen allesamt bewältigen – fast gegen die Wahrscheinlichkeit. Jede Spur der Verunsicherung hätte gefährliche Folgen gehabt. Doch man sah: Neuers SWE stimmt absolut.

Die finale Prüfung – und deren Bewältigung

Wenn Sie also eine Situation mit sehr großem Druck, hervorragenden Chancen aber zugleich enormem Risiko zu bewältigen haben, hilft am besten: Eine gut ausgeprägte, nachhaltig entwickelte Selbstwirksamkeitserwartung. Durch alle Erfolge, die knappen, wie die klaren Resultate, die bewältigten Risikomomente und den Willen, jetzt all das in die Waagschale zu werfen, kamen die deutschen Spieler in ihre privilegierte Position. So kam der entscheidende psychologische Vorteil zustande – der die sportliche Vorbereitung ergänzte.

Eine Mannschaft, die diese Zuversicht, diese Erwartung der Fähigkeit zum Erfolg, besitzt, funktioniert nicht nur intern besser – Fehler werden weggesteckt, gegenseitig ausgebügelt. Nein, diese selbstsichere Ausstrahlung überträgt sich zugleich auf die gegnerischen Spieler. Diese haben den gleichen Druck, die Zuspitzung von Chancen und Risiken für die künftige Karriere, ja das künftige Leben insgesamt, komprimiert auf 90 Minuten Fußballspiel. Spüren sie die Zuversicht des Gegners, droht ihre eigene Hoffnung wegzubrechen und das aufziehende Risiko-Szenario lässt die Konzentration wegkippen. Im Brasilienspiel war dies überdeutlich. Im Finale gegen Argentinien könnte es das Quentchen ausgemacht haben, das den Weltmeister fabrizierte.

Erkenntnis für Sie

Was die deutsche Fußball-Nationalmannschaft fertig bringt, können Sie auch. Wer sich häufiger in Vorstellungsgesprächen bewährt hat, in Assessment-Centern geprüft wurde und Präsentationen bewältigt hat, wird automatisch gelassener. Wer aber in wirklich schwierige Situationen innerlich gelassen hinein geht, strahlt aus, dass er sie beherrscht. Das beeindruckt die anwesenden Entscheider und das Publikum und führt letztlich zum Erfolg. Nutzen Sie daher jede Gelegenheit, die für Sie schwierigen Situationen aufzusuchen und zu bestehen. Machen Sie vorher einen Matchplan und hinterher eine geistige Video-Analyse. Vielleicht mit Hilfe eines Coachs oder Sparring-Partners. So erarbeiten Sie sich Ihre künftigen Triumphe.

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