IAB – präzisierte Zahlen. Oder: Karrieren werden in der Kantine gemacht.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist die Instanz für alle, die etwas zum Thema “Arbeitsmarkt in Deutschland” wissen wollen. Kurz vor Weihnachten kam ein IAB-Kurzbericht mit aktuellen Daten – die mich verwunderten. Stellten sie doch scheinbar alles auf den Kopf, was ich die letzten 15 Jahre über Karrieren gelernt habe. Hier die Ergebnisse meiner Nachfrage bei den Autoren.

Keine Entscheidungen im Hinterzimmer?

Einer der Hauptbefunde des IAB: Nur 13 Prozent der Stellen würden intern besetzt. Wieso so wenig? Was ist mit den Azubis, den Praktikanten, den Freelancern, den Ehrgeizigen, die sich um den Chef scharen? Schon lange, bevor eine Stelle frei wird? Was ist mit den Chefs, die dankbar sind, Vakanzen schnell besetzen zu können? Hat der IAB-Bericht allen Ernstes belegt, dass Chefs lieber tausende Euros für eine Anzeige ausgeben und sich eher die Qual zumuten, hunderte Bewerbungen von Fremden zu sichten, als einen internen Bewerber auszuwählen? So scheint es. Und gegen die Auswertung von 15.000 Fragebögen kann ich als einzelner Experte wenig sagen. Oder?

Auskünfte von Dr. Martin Dietz

Zunächst mal zeigt sich nicht sofort, wie die 13 Prozent überhaupt errechnet wurden. Der Rechenweg: Man addiere die Punkte “eigene Azubis, Zeitarbeiter, Praktikanten und interne Ausschreibung” (Tabelle 1) und teile durch die Anzahl der Suchwege (2,4). Das ergibt laut IAB also 13 Prozent. Und widerspricht meiner Sicht der Dinge total. Der scheinbar krasse Widerspruch löst sich allerdings auf, wenn Studienautor Dr. Dietz erläutert: “Nachbesetzungen oder Beförderungen werden dann nicht erfasst, wenn die Position nicht ausgeschrieben wurde”. Das heißt im Grunde: Wenn ein Azubi ohne Aufhebens weiter beschäftigt wird, wenn eine Teilzeit-Stelle aufgestockt wird oder wenn ein bewährter Mitarbeiter in der Hierarchie aufrückt, zählt das meist gar nicht als Stellenbesetzung. Es existiert zwar eine freie Stelle, die auch jemand einnimmt, aber eben nicht im Sinne der IAB-Fragebögen.

Sind “eigene Mitarbeiter” keine internen Bewerber?

Eine weitere Gruppe von erfolgreichen Stellenbesetzungen nennt das IAB: “Eigene Mitarbeiter, persönliche Kontakte” – zu einem Viertel werden Stellen so besetzt. Wie kann es dann sein, dass die interne Suche nur 13 Prozent ausmacht, Wenn schon alleine der Punkt “eigene Mitarbeiter, persönliche Kontakte” einen Anteil von 25 Prozent hat? Dazu erklärt mir Dr. Dietz: gemeint sei “eine Suchstrategie, bei der man eigene Beziehungen nutzt oder aber Empfehlungen aus der Belegschaft. Sie nutzt also betriebsinternes Wissen, zielt aber durchaus nach Außen.” Eine gewisse Unschärfe lasse sich allerdings nicht vermeiden. Eine sehr hilfreiche Erklärung!

Also doch: Finde ich niemand in der Kantine …

Insgesamt verwundert der geringe 13 Prozent-Anteil für interne Suchen also nicht! Er bedeutet: Wenn ein Chef in seiner Abteilung oder in seinem Umfeld, bei Gesprächen in der Kantine oder beim Meeting keinen geeigneten Kandidaten findet, wendet er sich in der Regel nach außen (zu 87 Prozent). Das wiederum ist so logisch wie klar: Schließlich hat dieser Chef bereits alle möglichen internen Hebel in Bewegung gesetzt. Also wird er sich jetzt in der Regel nach außen wenden. Die 13 Prozent “interne Stellenbesetzung” passen insofern doch damit zusammen, was wir Karriereberater behaupten. Dr. Dietz warnt übrigens, dass der IAB-Bericht keine Aussagen über solche zeitlichen Verläufe macht. Das ist also meine Interpretation – die aber einleuchtet, oder?

Wenig Chancen für anonyme Bewerber

Fragen wir – im Sinne der Karrierewilligen – einmal anders herum: Wie viele Stellen werden insgesamt von Bewerbern besetzt, die sich nicht – anonym – auf eine öffentliche Ausschreibung beworben haben? In Tabelle 2 des IAB-Kurzberichts geht es um die Frage, wie die Stellen letztlich besetzt werden. Zählen wir zusammen: Eigene Mitarbeiter / persönliche Kontakte (24,9 %), Initiativbewerber (9,8 %), Private Arbeitsvermittlung (2,8 %), Auswahl aus Leiharbeitern (1,4 %), Interne Praktika (1,2 %), Auswahl aus Azubis (0,8 %), Antwort auf Inserate Arbeitssuchender (0,7 %): Ergibt insgesamt 44,8 Prozent. Dazu dürften etliche Stellen kommen, die durch das IAB hier nicht erfasst werden, weil sie gar nicht offiziell ausgeschrieben werden. Damit landen wir bei grob geschätzten 2/3 aller Stellen, die an irgendwie bekannte Kandidaten gehen.

Damit ist klar: Die Karriereberatung muss nicht umgekrempelt werden. Karrieren werden eben doch in der Kantine gemacht. Wahlweise im Kino oder in der Caffeteria. Und natürlich überall, wo Menschen sich um Beziehungen kümmern, aktiv sind und gute Arbeit leisten.

Herzlichen Dank an Herrn Dr. Dietz für seine freundlichen Auskünfte!

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