Hochbegabung mit Ecken und Kanten

gerade schrieb ich an meinem neuen Blog-Eintrag zum Thema Erfolg, der morgen erscheint. Da stoße ich auf das höchst interessante Interview der Coach-Kollegin Corinna Kegel mit dem Abendblatt (hier). Zu meiner Verblüffung stelle ich fest: Manche ihrer Aussagen über Hochbegabte stimmen haargenau mit meinem morgigen Blogbeitrag überein. Und der Rest läuft unter dem Motto: Hochbegabte und ich. Lesen Sie hier mein (Fast-)Outing.

Hochbegabte ecken an

Das hat nach Corinna Kegel verschiedene Gründe. Zum Beispiel kommen die besonders Begabten schnell zu Lösungen, die andere noch nicht sehen. Sie finden dafür (noch) keine Anhänger und sind selbst frustriert, dass ihr Ergebnis nicht anerkannt wird.

Mir liegt das Thema Anecken – und das Potential dahinter – sehr am Herzen. Nicht umsonst habe ich zwei Bücher dazu geschrieben. Schnelle Lösungen für komplexe Probleme sind ohnehin meins.

Höchste Ansprüche

Hochbegabte haben höchste Ansprüche an sich selbst. “Denn würde ich sie [die Messlatte] erreichen, hätte ich die Latte ja nicht hoch genug gelegt” – so beschreibt Kegel die Gepflogenheiten des Lattenlegens unter Hochbegabten. Gleichzeitig halten sie ihre eigenen Leistungen für nichts besonderes. Sie “haben Schwierigkeiten, sich über ein gutes Arbeitsergebnis zu freuen. Sie sind selten mit sich zufrieden und halten ihre überdurchschnittliche Leistung für selbstverständlich, da sie ihnen ja relativ leicht gelungen ist.”

Ein mir sehr bekanntes Phänomen: Kurz bevor ich Kegels Worte las, habe ich die selben Gedanken eingetippt.

Unverstanden

“Die Schnelligkeit und Komplexität des Denkens Hochbegabter führen dazu, dass diese oft nicht verstanden werden. Das macht häufig unbeliebt, irritiert andere”, erläutert Kegel.

So sieht das aus, ja. Oder man beobachtet, wie Diskussionspartner an einem Punkt geistig aussteigen (obwohl sie durchaus noch weiterreden) (zur Respektlosigkeit dieser Formulierung siehe unten…). Oder einfach nicht bestimmte geistige Klippen umschiffen. Oder auf einen Punkt zurückkommen, der längst passe ist. Oder an den Symptomen herumdoktern, während schon gute Lösungsideen vorliegen. Oder …

Selbständig

Auffällig sei, meint Frau Kegel, dass sich viele Hochbegabte irgendwann selbständig machen. “Denn sie haben oftmals Schwierigkeiten mit Autoritäten – was die Situation als Angestellte noch erschwert. Doch das ergibt sich aus der Natur der Sache: Wenn ich den Eindruck habe, ich sei besser oder schneller als mein Vorgesetzter, dann schwindet manchmal der Respekt. Und wenn ich Weisungen als unsinnig empfinde, kann ich mich ihnen nur schwer fügen.”

Auch hier kann ich Häkchen setzen. Ich bin quasi schon immer selbständig. Zwar habe ich häufig in Organisationen eingebunden gearbeitet, aber den Schritt zum Angestellten in der Regel nicht vollzogen. Das Querdenken und die von Frau Kegel beschriebene Renitenz wird in meinem Ansatz der Kwerkarriere aufs Thrönchen gehoben. Renitenz führt häufig zur Selbständigkeit. Und: Selbständigkeit gelingt eher dem, der über Renitenz verfügt.

Definitiv nicht hochbegabt

Insgesamt also fühle ich mich sehr, sehr angesprochen von Frau Kegels Beschreibung der Hochbegabten. Mein kleiner Privat-Gag ist allerdings: Ich bin definitiv nicht hochbegabt. Jedenfalls gibt ein herkömmlicher IQ-Test den Wert her, mit dem man laut Forschung alles erreichen kann (120). Aber definitiv keine 130 Punkte. Da bin ich mir sicher: Ich kenne mich als hochkreativ, durchaus sozial begabt und ich kann mir sogar ganz gut merken, was mich interessiert. Aber über ein informationsfressendes Mastermind verfüge ich (leider?) nicht.

5 Kommentare

  • Als Reaktion auf diesen Beitrag erhielt ich eine sehr nette Zuschrift. Ich solle nicht mit meinen 120 kokettieren, da diese näher an der Hochbegabung als am Durchschnitt lägen (richtig). Zumal ich offensichtlich nicht symptomfrei wäre. Beides mit Zwinkern.
    Dazu: Ich habe in meinem Eintrag zwei Botschaften gemixt und etwas verkürzt. Erstens eine Ich-Botschaft: Wahrscheinlich liegt mein Wert über 120, aber definitiv nicht bei 130 (ich bin Psychologe und habe selbst schon zahlreiche Tests durchgeführt, ausgezählt und zwecks Bildungsempfehlungen ausgewertet). Zur fehlenden “Symptomfreiheit”: Ja, richtig erkannt, liebe Zusenderin. Ja, leider.
    Zweitens die Sachbotschaft: Die Forschung sagt, dass man mit 120 alles machen kann, auch Nobelpreise erringen. Also Plätze bespielen, wo es vorrangig um intellektuelles Vermögen geht.

    Ich versuche eigentlich nicht zu kokettieren – denn mir geht es überhaupt nicht um Werte. Gerade als Diplom-Psychologe sehe ich die ganze Messerei kritisch. Es geht um Probleme und Lösungen. Dazu bieten die Werte Anhaltspunkte. Ich zweifle also nicht daran, dass Mensa die Hochintelligenten vernetzt. Aber was dann passiert, sehe ich kritisch: Dazu übermorgen mehr.

    Danke für Ihre Kommentare & schöne Grüße,

    Christoph Burger

    Antworten
  • Hallo Herr Burger,

    ein spannender Artikel, der mich sehr anspricht, den Artikel im Hamburger Abendblatt habe ich auch interessiert gelesen.

    Ich finde es bezeichnend, was Sie über die daraufhin erhaltene Zuschrift schreiben. Darin spiegelt sich das, was ich oft erlebe – unsere Gesellschaft mag es nicht, wenn jemand auf die eigene Besonderheit hinweist. Es ist ja nicht so, dass Sie in Ihrem Artikel angegeben hätten und sich über den Rest der Menschheit erhoben hätten. Allein der Hinweis mit Augenzwinkern wird schon angemahnt.

    Ich bin dafür, dass wir endlich aufhören, alle immer glich und noch gleicher halten zu wollen – die Welt lebt von der Unterschiedlichkeit und ich finde es gut, wenn die Menschen erfahren, was einen ausmacht. Es es nichts, wofür man sich Schamgefühle einreden lassen muss. Mit Ihrer unaufgeregten Art darüber zu schreiben bin ich sehr einverstanden!

    Herzliche Grüße

    Natalie Schnack

    Antworten
    • Hallo Frau Schnack,

      danke für Ihren Kommentar. Das mit der unaufgeregten Art versuche ich zumindest immer. In meinem heutigen Beitrag ist das, glaube ich, auch deutlich.

      Ein kleines Missverständnis ist vielleicht aufgetreten. Die Zusenderin argumentiert nicht von der Warte eines niedrigeren IQs. Wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie das angenommen. Nein, sie hat eher die Warte von 150 oder irgendwas ähnlich Astronomischem. Okay, das ist jetzt eine grobe Schätzung ….

      Womit nur wieder deutlich wird, dass diese Zahlen relativ sind, so oder so. Und was ich noch sagen wollte: Es war wirklich eine sehr nette Zuschrift, das war meinerseits nicht ironisch gemeint.

      Schöne Grüße, spannendes Thema, freue mich auf Reaktionen,

      cb

      Antworten
  • Hallo Her Burger,
    danke für die Aufklärung, ich habe es in der Tat etwas anders verstanden. Meine Botschaft bleibt davon jedoch unberührt: warum darf man die eigene Besonderheit nicht erwähnen?

    Herzliche Grüße

    Natalie Schnack

    Antworten
    • Liebe Frau Schnack,

      Sie unterstützen mit Ihrer These zu 100% das Anliegen “Charakter zeigen!”, also meinen Unternehmensclaim. Insofern: Ja, ja, ja!

      Interessanterweise habe ich das wegen einer meiner Eigenarten nicht gewürdigt. Ich hatte eine große Sorge, dass ich missverstanden und jemand anders (wenn auch anonym) in Misskredit gezogen würde – und wollte das v.a. klären.

      Noch ein Outing … so ticke ich halt.

      In diesem Sinne,

      viele Grüße, cb

      Antworten

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